«Nein, mit Frustverarbeitung hat das nichts zu tun», versichert Monika Stocker gegenüber dem Klein Report auf die Frage, warum Sie sich neuerdings als Schriftstellerin betätige. Am Montag präsentierte die ehemalige Sozialdepartements-Chefin der Stadt Zürich unter dem Titel «He, dich kenne ich doch» ihr Erstlingswerk: Ein Prosa-Bändchen mit 56 kleinen Episoden «aus dem Zürich von unten», wie sie an der Vernissage im Zürcher Volkshaus betonte. Protagonisten des Büchleins sind Drogenabhängige, Alkoholikerinnen, Flüchtlinge und Sozialhilfebezüger. Die Autorin bezeichnet ihre Texte keck als Agendanotizen; der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel lässt sich im Vorwort gar dazu hinreissen, Stockers Werk als neue Literaturform zu bezeichnen.
Die Texte zu verfassen, war für Monika Stocker so etwas wie eine Arbeitsmethode, wie sie selbst sagt: «Das Niederschreiben von Episoden und Geschichten verpflichtet einen, den Sachverhalt auf den Punkt zu bringen.» Vor zwei Jahren trat Stocker nach einer medial-politisch inszenierten Schlammschlacht von ihrem Stadtzürcher Exekutivamt ab. In der Zwischenzeit habe sie sich von den mit ihrem Abgang verbundenen Strapazen wieder erholt, teilt die 62-Jährige in der aktuellen Ausgabe des «Tagimagi» mit. «Seit ich pensioniert bin, geniesse ich es, nicht mehr um 6 Uhr mit den Radionachrichten aufstehen zu müssen. Ich esse in aller Ruhe mein Müesli, lese Tagi und NZZ.»
Ein Flair fürs Schreiben hat die studierte Sozialwissenschafterin aber schon lange. «Seit Jahren schreibe ich Gedichte, die ich jeweils zu Weihnachten in meinem Freundeskreis verschicke», verrät Stocker dem Klein Report. Und auch wenn ihre Schreibe primär keinen politischen Anspruch habe, seien ihre Texte in einem gewissen Sinne dennoch politisch. «Ich schreibe ja in einem politischen Umfeld und aus meiner reichen Erfahrung als Stadträtin.» So will die grüne Politikerin «diejenigen Dinge aufdecken, die man sonst nicht sieht». Denn die wohlhabende Stadt Zürich werde immer als sogenannt saubere Stadt wahrgenommen. «Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, tragen auf ihre Weise aber auch zum Reichtum der Stadt bei», so Stocker.
Doch nicht nur literarisch ist Stocker neuerdings aktiv, sondern auch journalistisch: Seit Januar amtet sie als Koredaktorin der Zeitschrift «Neue Wege, Zeitschrift für Religion und Sozialismus». Zwar habe sie Mühe mit der Institution Kirche, aber sie glaube an Gott und an eine gelebte Religiosität, sagt sie in erwähntem «Tagimagi»-Artikel.
Monika Stocker: «He, dich kenne ich doch». Limmat-Verlag, Zürich 2010. 124 Seiten, gebunden. Auflage: 2000 Stück. 28.50 Franken.
Dienstag
02.03.2010



