Der amerikanische Präsident Donald Trump legt sich mit Amazon an. Via Twitter meint er: «Ich habe meine Bedenken mit Amazon schon lange vor der Wahl bekanntgemacht. (...) Sie bezahlen geringe oder keine Steuern an die Bundesstaaten und lokalen Regierungen, nutzen unsere Postwesen als ihre Lieferjungen (verursachen enorme Verluste für die Vereinigten Staaten) und drängen Tausende Einzelhändler aus dem Geschäft.»
Die Politologin Regula Stämpfli kommentiert für den Klein Report, was passiert, wenn Donald Trump plötzlich wie die Sozialdemokraten Europas klingt.
Für die Kampagne der #SagesderSchweiz gab ich mein Testimonial für die Schweizer Medien im Jahr 2015. «Nur weil die Falschen das Richtige sagen, wird das Richtige dadurch nicht falsch». In Zeiten der Fake News und Trump bashing gibt es aus linksliberaler Sicht klare Haltungen: Alles was vom 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten kommt ist rassistisch, sexistisch, grössenwahnsinnig und so weiter.
Gleichzeitig übt man sich aber in denselben Taktiken wie ich sie in Trumpismus hier auch schon beschrieben habe: Persönliche Attacken ersetzen den politischen Diskurs mit dem Resultat, dass sich der «rasende Stillstand» (Vilém Flusser) unserer Zeit nicht verändert. Kommunikativ kreiert die Empörungs-Kultur meist nur neue Marken Skandalisierter, die quasi als Portfolio für künftige Mandate und die Karriere hinhalten soll.
Es lohnt sich, angesichts der Tatsache, dass die Richtigen völlig Falsches tun und Falsche manchmal wie ein blindes Huhn auch mal ein politisch korrektes Korn finden, philosophisch zu werten.
Die Amazon-Aktie stürzte nach dem Tweet von Donald Trump ein. Gut so. Selbstverständlich könnte die Motivation hinter Trumps Tweet sein, dass sich seine Milliardärsfreunde beklagt haben, dass ihre Einkaufszentren durch Amazon verlieren. Auch mag der heftige Kurs der «Washington Post» gegen den amtierenden Präsidenten mitgespielt haben: Sie gehört dem Amazon-Boss Jeff Bezos.
Amazon ist nun also im Sperrfeuer von Donald Trump. Das sind gute Nachrichten für alle die sich um Lohndumping, ökologische Verpackungskatastrophen, drohende Arbeitslosigkeit und Steuersparmodelle Sorgen machen.
Am 1. Februar 2018 publiziert der trump-unverdächtige linksliberale «The Guardian» eine Studie zur volkswirtschaftspolitischen Wirkung von Amazon. Die Steuerermässigungs-Modelle für den Verpackungs-, Buch- und Versandkonzern schaden den betreffenden Volkswirtschaften.
Die Arbeitsbedingungen sind pitoyabel, wie der Bericht zu 25 Staaten festhält und: Wo Amazon ist, gibt es keine höhere Beschäftigungsquote. Dies ist brisant. Hat in den USA Amazon doch über 1 Milliarde Subventionen einkassiert mit der Begründung, die Beschäftigung in der Region zu fördern.
Die – ebenfalls nicht trump-verdächtige deutsche Wochenzeitung «Die Zeit» schrieb am 6. April 2017: «Pioniere der Ausbeutung. Billige Produkte, billige Arbeiter: Die Handelsriesen Wal-Mart und Amazon haben die amerikanische Wirtschaft aus dem Gleichgewicht gebracht.»
Letzte Woche brachte das Magazin der «Süddeutschen Zeitung» – ebenfalls überhaupt nicht trump-verdächtig - einen erschütternden Bericht über «Amazon Mechanical Turk» – die digitale Plattform: «Die Jobs sind miserabel bezahlt, der Druck ist hoch, jeder ist auf sich allein gestellt. Sieht so die Zukunft der Arbeit aus?» Oder: «Die Millionen-Masche der Amazon-Händler» («Süddeutsche» vom 21. März 2018) belegt, wie chinesische Händler regelrechten Umsatzsteuerbetrug betreiben können: Volkswirtschaftliche Kosten in Millionenhöhe. In Grossbritannien gibt es ein neues Gesetz, nur noch Händler für Amazon zuzulassen, die auch eine Steuerregistrierung benutzen.
Tja. Ausgerechnet der 45. Präsident der Vereinigten Staaten redet in seinem Tweet zu Amazon wie ein Linker. Dies ist eine Riesenchance für die soziale, ökologische und volkswirtschaftliche Zukunft Europas. Dem Raubtierkapitalismus des Silicon Valleys werden endlich Grenzen gesetzt.
Für die Demokratie wirkt das Paradox: Es ist besser, wenn die Falschen das Richtige fordern, als die Richtigen das völlig Falsche tun.