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Montag
17.05.2010

Die Schweiz kennt im audiovisuellen Medienbereich eine schwach entwickelte Beschwerdekultur. Nimmt man die Beanstandungen bei den Ombudsleuten gegen Radio- und Fernsehsendungen sowie die Beschwerden (beispielsweise wegen Verletzung der Werberichtlinien) beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom) zusammen, so sind es rund 200 Klagen im Jahr. In Grossbritannien hingegen behandelt das Office of Communications jährlich 22 000 Beschwerden. Hätte die Schweiz dieselbe Beschwerdekultur wie das britische Königreich, müssten im Verhältnis zur Grösse des Landes 2500 Klagen eingehen. Dass es nicht einmal 10 Prozent davon sind, hat auch damit zu tun, dass die Beschwerdemöglichkeiten in Helvetien zu wenig bekannt sind.

Auch die Sanktionen sind in der Schweiz schwach: Wird eine Programmbeschwerde gutgeheissen, so verlangt die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) in der Regel nur, dass der Sender berichtet, wie er künftig ähnliche Fehler vermeiden will. Das Bakom kann Bussen verhängen. Länder wie Spanien, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Schweden, Portugal, Tschechien, Slowakei oder Bosnien und Herzegowina verhängen ziemlich hohe Geldstrafen. Frankreich hat einem Sender schon mal die Busse von 4 Millionen Euro aufgebrummt.

Diese Erkenntnisse waren die Frucht einer Diskussion der Europäischen Plattform audiovisueller Regulierungsbehörden (EPRA), die bis Freitag in Barcelona tagte. Sie vereinigt 52 Regulierungsbehörden aus 44 europäischen Ländern, darunter auch der Türkei, Aserbaidschans und Israels. Aus der Schweiz gehören der EPRA das Bakom und die UBI an. Deshalb war der UBI-Präsident und emeritierte Professor für Medienwissenschaft an der Universität Bern, Roger Blum, in Barcelona dabei; er hat diesen Bericht für den Klein Report verfasst.

Die EPRA diskutierte ferner Probleme mit Sendungen, die Product Placements enthalten. Die Europäische Union hat eine neue Richtlinie erlassen, die die Länder zurzeit umsetzen. Danach ist Product Placement grundsätzlich verboten, aber erlaubt in Kinofilmen, Fernsehfilmen und -serien, Sportsendungen und leichten Unterhaltungssendungen, nicht aber in Informationssendungen. Product Placement setzt voraus, dass für die Sendung nicht bezahlt wird, sondern dass nur bestimmte Güter und Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden. Nicht infrage kommt Product Placement für Tabakwaren und für medizinische Produkte sowie in Kinderprogrammen. Product Placement muss am Anfang und Ende der Sendung angezeigt werden. Die redaktionelle Unabhängigkeit muss gewahrt werden. Diese Richtlinien umzusetzen, verursacht etliche Probleme.

In der Schweiz wird Product Placing als Sponsoring betrachtet und ist grundsätzlich erlaubt. Für das Product Placing wird bezahlt oder eine beträchtliche geldwerte Leistung zur Verfügung gestellt. Auf diese Sponsoringart muss am Anfang und am Ende der Sendung deutlich hingewiesen werden. Die EPRA diskutierte im Weiteren über Alternativradios, den Wandel der Werbung sowie über Jugendschutz bei On-Demand-Diensten. Beim Jugendschutz war Vera Beutler vom Bakom Berichterstatterin.