Die Weichenstellung im Hause Ringier wird im hauseigenen Mitarbeitermagazin «Domo» auf ganzen neun Seiten zelebriert.
Auf dem Cover schmunzeln die Herren Michael Ringier (68), Marc Walder (52) und Robin Lingg (38) verschmitzt. Auf der ersten Doppelseite wird dann aus vollen Backen, mit breitestem Strahlen, gelacht.
Michael Ringier jedenfalls hat allen Grund zum Lachen. Grosse Freude, dass die Nachfolge mit Robin Lingg in der Familie Ringier liegt. «Adoptivsohn» Marc Walder bekam die Möglichkeit, zehn Prozent der Ringier-Aktien zu kaufen. In die Familie integriert freilich wird er trotzdem nicht. Dazu aber etwas später.
Robin Lingg wird das neue Oberhaupt der Ringier-Familie, heisst es im Lead der «Domo»-Titelgeschichte. Der 38-Jährige ist der Sohn von Evelyne Lingg-Ringier, die zusammen mit der anderen Ringier-Tochter Annette Ringier je einen Drittel der Anteile am mittlerweile zweitgrössten Schweizer Medienkonzern hält.
Ändert sich daran etwas mit dem neuen Mitbesitzer Walder? O-Ton Michael Ringier: «Es gibt nach wie vor eine Firma. Und es gibt eine Familie. Das ist wichtig. Das trennen wir. Sicher ist, dass er in den letzten 25 Jahren ein Teil der Familie geworden ist. Das kommt mit der Beteiligung zum Ausdruck.» An die Weihnachtsfeier des Familienkerns freilich, die jeweils im Familienhaus in Merlischachen am Vierwaldstättersee abgehalten wird, sei Marc Walder nicht eingeladen. Ringier tough: «Das hat mit der Firma nichts zu tun. Marc wäre es peinlich, mit uns `Stille Nacht` zu singen.»
Der einstige Chefautor der «Blick»-Gruppe, Peter Hossli, führte das Interview. Hossli verliess Ringier Anfang Mai letzten Jahres als Leiter des von ihm eingerichteten Autorenpools. Im «Domo»-Impressum wird er als redaktioneller Mitarbeiter aufgeführt. Im Klein Report sagte Hossli damals, er sei getrieben von der Idee, ein eigenes Buch zu verfassen, deshalb verlasse er «einen der schönsten Jobs im Schweizer Journalismus».
Hossli stellte auch unangenehme Fragen wie diese: «Bisher besassen drei Aktionäre je einen Drittel von Ringier. Wollte einer oder eine verkaufen, kamen nur die beiden anderen als Käufer in Frage. Wie haben Sie diese Regel umgangen?» Michael Ringier dazu: «Plötzlich passen einst gute Regeln nicht mehr. Sind sich alle einig, findet man einen neuen Konsens. Irgendwann wird die nächste Generation die neuen Regeln wieder ändern.»
Hossli gibt nicht auf, hakt nach: «Die `Weltwoche` berichtet, es gab mit Annette Ringier eine Art Königsmacherin. Sie habe ihren Anteil von 33,3 Prozent
familienintern verkaufen wollen…» Michael Ringier kontert postwendend: «Dass Sie die `Weltwoche` als Quelle zitieren, ist bereits Ihr zweiter journalistischer Fehler in diesem Interview.»
Hossli lässt sich nicht beirren: «Und, stimmt es?» Ringier: «Blödsinn! Niemand trieb, niemand musste sich verbeugen, es ging ganz schnell.» Wieder Hossli: «Gibt es eine neue Regel bezüglich des Verkaufs der Anteile? Wenn ja, wie sieht sie aus?» Michael Ringier: «Zur ersten Frage sage ich ja. Zur zweiten schweigen wir.»
Ob die Beteiligung von Marc Walder einen Börsengang bedeute, wischt Michael Ringier mit klaren Worten vom Tisch: «Solange ich dabei bin, geht Ringier nicht an die Börse.»
Dann ist es an Robin Lingg, die Beteiligung von Walder zu erklären. «Es sei ganz wichtig für die Mitarbeitenden und ein Vertrauensbeweis für Marcs Arbeit», erklärt er. «Es ist eine Botschaft der Stabilität. Wir möchten diese Firma als Familienunternehmen weiterführen.»
Dann wird das Rauchfass kräftig geschwungen und eine dichte Wolke von Weihrauch wabert über Marc Walder hinweg. Michael Ringier: «Marc hat aus dieser Firma etwas Neues gemacht.» Robin Lingg: «Eine neue Firma.» Michael Ringier: «Er hat etwas mit Zukunft gemacht, das ist unbezahlbar.»
Spät, aber nicht zu spät, ist Ringier mit CEO Marc Walder auf den Digitalisierungszug aufgesprungen. Heute werden 70 Prozent der Ringier-Gewinne daraus erzielt. Fast zwei Milliarden seien laut Walder in Technologie und Firmen investiert worden.
Walder: «Das Unternehmen ist deutlich unabhängiger vom Journalismus geworden. Aber keiner, der heute in dieser Branche arbeitet, weiss, was in fünf Jahren sein wird.» Allerdings wäre es falsch, daraus zu folgern, dass Journalismus nicht mehr wichtig ist. «Michael hat immer gesagt, gerade weil wir journalistische Produkte herausgeben, konnten wir uns in den letzten zehn Jahren derart verändern. Partner haben mit uns Firmen gebaut, weil wir eine grosse Geschichte im Journalismus haben.»
Robin Lingg, der dereinst seinen Onkel Michael Ringier als Konzernchef ablösen soll, schwärmt von der Zusammenarbeit mit Marc Walder. «Er trägt die
gemeinsame Vision der Familie mit. Die Grenzen zwischen der Familie und Marc lösen sich bei der Arbeit auf. Was richtig, was falsch ist, sehen wir alle gleich.»
Auf die Frage, wer denn die Idee hatte, Marc Walder zum Teilhaber und designierten VR-Präsidenten von Ringier zu machen? ... das grosse Stirnrunzeln.
Michael Ringier mit seinem ureigenen Humor: «Bei anderen Firmen heisst es schnell: Ich habe die Idee gehabt.» Robin Lingg: «Wir wissen es gar nicht.» Michael Ringier: «… wirklich nicht. Es entstand ganz natürlich, wie vieles bei uns.» Robin Lingg: «Plötzlich stand es im Raum, dann sagten alle: Ja, so ist es.» Michael Ringier: «Es war logisch, dass es so ist.»
Walders Aufstieg bei Ringier sucht seinesgleichen. Der einstige Tennisprofi Walder lernte den ehemaligen Schweizer Top-Ten-Spieler Michael Ringier beim Spiel mit dem Filzball kennen. Als Walders Karriere am Auslaufen war, schlug ihm Tenniskumpel Michael ein Stage beim Boulevardblatt «Blick» vor.
Der damalige «Blick»-Chefredaktor Fridolin Luchsinger nahm den jungen Mann mit dem schütteren Haar auf persönlichen Wunsch seines Ober-Chefs auf, platzierte ihn in der Unterhaltungsabteilung, und bald hatte Walder den Lead inne in den wochenlangen Titelstories um das sogenannte «Porno-Heidi». Dabei kannte er keine Skrupel, sich über interne Spielregeln hinwegzusetzen. Der gestandene «Blick»-Kollege machte Kärrnerarbeit, Walder setzte seinen Namen in der Doppel-Byline an die erste Stelle, obwohl die Spielregel hiess, das Alphabet ist massgebend dafür, wer wo steht. Der Nachname des Kollegen begann mit P.
Was folgte, ist eine Blitz-Karriere über die Stufen als «Blick»-Unterhaltungschef, «Blick»-Sportchef, Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten» und Chefredaktor des «SonntagsBlicks» bis hinauf in die Teppichetage.
In Szene setzt sich Walder auch in dieser Top-Position regelmässig und wohl auch sehr gerne. Kaum eine Ringier-Publikation ohne Foto von CEO Walder samt geschürzten Lippen und Profis jeder Couleur, ob aus der Politik wie Doris Leuthard, dem Show-Business, Wirtschaft oder dem Sport. Laut internen Stimmen sorge das beim journalistischen Fussvolk allenthalben für Kopfschütteln und Unverständnis nach dem Motto: «Hat der das nötig?»
Und zum Schluss noch diese Schmonzette: Eine der ersten Fragen im achtseitigen «Domo»-Interview handelt von «Waldier». Ob die Firma Ringier dank des neuen Mitbesitzers jetzt zu «Waldier» werde, wie es der «Blick» geschrieben habe? Marc Walder: «Als ich das im `Blick` sah, erschrak ich ein wenig. Das Wortspiel ist völlig vermessen. Ringier ist eines der traditionsreichsten Schweizer Familienunternehmen, das in der fünften Generation geführt wird, nun in die sechste Generation geht.»
Sein Chef sieht das anders. Darum gebührt das Schlusswort hier Noch-Ringier-Chef Michael Ringier: «Das Wort `Waldier` habe ich als erster gesagt, insofern ist es OK. Ich hoffe, dass wir mehr zu Ringer werden und die `Gier` endlich loswerden.»