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Donnerstag
27.03.2003

Seit einiger Zeit ist das «St. Galler Tagblatt» (NZZ-Gruppe) mit dem Verlags- und Druckereiunternehmen Huber AG wegen einer möglichen Übernahme in Gesprächen. Auf der Redaktion der «Thurgauer Zeitung» (TZ) kursierten am Donnerstag Papiere, die die Annäherungsversuche der St. Galler in fortgeschrittenem Stadium belegen. Die «Thurgauer Zeitung» wird bei der Huber AG gedruckt. Nach Recherchen des Klein Reports auf der TZ-Redaktion am Donnerstag gibt es Gerüchte, dass die Zeitung demnächst im neuen Druckzentrum («St. Galler Tagblatt») in St. Gallen gedruckt werden soll, weil die jetztige Druck-Situation unbefriedigend sei.

Insider gehen nun davon aus, dass dieser Annäherungsversuch mehr ist, als nur ein gewöhnlicher Druckauftrag, die NZZ-Gruppe ziele auf die «Thurgauer Zeitung». Bereits Ende 1998 kaufte die NZZ-Tochter die 1874 gegründete «Ostschweiz» sowie die 1828 gegründete «Appenzeller Zeitung» - 100 Stellen gingen damals verloren. Käme es zur einer Übernahme der «Thurgauer Zeitung» durch das «Tagblatt» wären alle Lügen gestraft, die seit längerem eine Fusion des Winterthurer «Landboten» und der «Schaffhauser Nachrichten» erwartet haben.

1998 konnte die «Thurgauer Zeitung» noch sorglos ihr 200-Jahre-Jubiläum mit einer Sonderbeilage feiern. Zwei Jahre später gelang ihr im Herbst 2000 ein wichtiger Coup: Sie verkündete den Kauf der Konkurrenz-Blätter von Paul Ruckstuhl: «Thurgauer Volksfreund», «Bischofszeller Nachrichten», «Thurgauer Volkszeitung» und «Thurgauer Tagblatt» mit einer Gesamtauflage von 18 200 Exemplaren. Am 3. Januar 2001 erschienen die «fusionierten» «Thurgauer Zeitung» (Gesamtauflage 32 000) und die Ruckstuhl-Blätter unter dem Titel «Neue Thurgauer Zeitung» (neue Gesamtauflage nach bereinigten Adresslisten nur 42 000). Das «Tagblatt» zog bei diesem Handel den Kürzeren, die St. Galler hätten auch gerne die Ruckstuhl-Blätter gekauft.

In den letzten zwei Jahren stritten das «Tagblatt» und die «Thurgauer Zeitung» um die Gunst der Thurgauer Leser und Inserenten. Das «Tagblatt» eröffnete in der Stammregion der «Thurgauer Zeitung» Lokalbüros, so in Weinfelden, Frauenfeld und Kreuzlingen, zudem wurden die Lokalredaktionen personell aufgestockt. Unbefriedigend für die Leser blieb hingegen das «Zwei-Bund-System» der «TZ»: Wegen mangelnder Druckkapazitäten wurde der zweite Bund (Regionales, Sport) in Weinfelden in der ehemaligen Druckerei des «Thurgauer Tagblattes» gedruckt, der erste Bund mit Ausland, Inland und Thurgau-Themen in der Huber-Druckerei in Frauenfeld.

Dadurch kam es immer wieder zu Doppelspurigkeiten, die Leser fanden sich in der neuen TZ kaum zurecht. Die Thurgauer Medien AG stellte deshalb vor einem Jahr den Bau einer neuen Druckerei in Aussicht. In diesem Wettlauf hatte das «Tagblatt» die Nase vorn: Es eröffnete im Herbst 2002 in St. Gallen ein neues Druckzentrums, wo auch die «NZZ am Sonntag» gedruckt wird.

Die neue TZ konnte ihre Auflage nach der Übernahme der Ruckstuhl-Blätter zwar halten, aber nicht steigern. Nach der Übernahme der Ruckstuhl-Blätter hatte sich die Redaktion fast verdoppelt - in der Folge wurden Abgänge nicht ersetzt und einige Kündigungen ausgesprochen. Im Februar kaufte die TZ die «Regionalzeitung» (Auflage 6000), die jedoch weiterhin erschien, doch profitierte die TZ vom Inseratekombi. Der im Herbst 2000 eingeleitete personelle Wechsel in der TZ-Chefredaktion wirkte für die Redaktion zwar aufmunternd, doch hinterliess Andreas Netzle (ehemals Chefredaktor «Solothurner Zeitung») in den letzten zwei Jahren kaum Spuren. Sein von der Redaktion wenig geliebter Vorgänger Peter Forster, der im Herbst 2000 überraschend als TZ-Chefredaktor zurückgetreten war, wechselte rechzeitig die Fronten: Der Nahost- und Militär-Experte schreibt bereits heute für das «Tagblatt».