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Sonntag
31.10.2021

Medien / Publizistik

Die Zeiten, als die «Schweizer Illustrierte» als Cashcow des Verlags galt, sind längst Geschichte. (Bild © Ringier)

Die Zeiten, als die «Schweizer Illustrierte» als Cashcow des Verlags galt, sind längst Geschichte. (Bild © Ringier)

Die «Schweizer Illustrierte» hat eine stürmische Woche hinter sich. Mit Silvia Binggeli wurde eine «Beauty-Queen» zur Chefredaktorin ernannt, die kein Medienprofi auf der Liste hatte. 

Und die aktuelle Führungsriege mit Werner de Schepper und Nina Siegrist wurde kurzerhand weggelobt. «Scheppi» wird künftig als Chefautor fürs Haus tätig sein, und bei Siegrist wartet man noch auf ihre Entscheidung, ob sie eine ädequate Stelle im Konzern übernehmen will. 

Doch damit nicht genug: Die Belegschaft äusserte ihren Unmut über die Entwicklungen bei der SI mit überraschend klaren Worten an die Adresse von Ringier-CEO Marc Walder. Bei der SI ist sichtlich Feuer im Dach.

Die Zeiten, als die «Schweizer Illustrierte», übrigens das Lieblingsblatt des Verlegers Michael Ringier, als Cashcow des Verlags galt, sind längst Geschichte und tragen die Handschrift des kongenialen Peter Rothenbühler und des noch genialeren oder besser gesagt geschäftstüchtigen Co-Chefredaktors Urs Heller. Dieses Dream-Team verhalf der SI in der 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts nicht nur zu hervorragenden Leserzahlen, auch marketingtechnisch sorgte Heller dafür, dass man nicht an der SI vorbeikam.

Tempi passati: Die «Glückspost» hat der SI nicht nur von den Einnahmen her längst den Rang abgelaufen, auch der «Blick» schaut immer mal wieder neidisch auf die Scoops von «Glü-Po»-Chef Leo Lüthy. Die SI ist seit Längerem das Sorgenkind des Verlags und muss sich punkto Leseraufmerksamkeit längst als Nischenprodukt zufriedengeben. 

Kein Wunder, musste der Verlag also im Zuge der fehlenden Einnahmen auch die erfolgsverwöhnte XL-Redaktion zusammenstreichen, um finanziell überhaupt noch über die Runden zu kommen. Auch ein Umstand, den die Redaktion in ihrem offenen Brief bemängelt. 

Die Redaktion habe in den letzten Monaten «viel durchgemacht» und «gab während der Kurzarbeit alles, um die ‚Schweizer Illustrierte’ jede Woche als attraktives Heft zu den Abonnentinnen an den Kiosk zu bringen». Die «Massenentlassung» im Sommer 2020 sei ein Schock gewesen. Man vermisse die Kolleginnen und Kollegen. Viele hätten ausserdem Pensenreduktionen hinnehmen müssen, so die SI-Redaktoren.

Auch wenn dieser verständliche Aufschrei der SI-Belegschaft bei den anderen Medienhäusern für Gesprächsstoff sorgen wird, glaubt niemand ernsthaft daran, dass Marc Walder seine Entscheidungen widerrufen wird. Da kann die Belegschaft noch so viele Briefe schreiben. Was interessiert mich die Belegschaft, wird er sich sagen, arbeitslose Journalisten, die meinen Weg stillschweigend mitgehen würden, gibt es genug.

Bleiben eigentlich nur noch zwei Fragen: Wird Silvia Binggeli ihre Entscheidung nochmals überdenken? Eher nicht. Und wer wird Co-Chefredaktor oder Co-Chefredaktorin? Bei dieser Ernennung sollte Marc Walder jetzt Fingerspitzengefühl beweisen. Oder ernennt er einfach einen bequemen Platzhalter wie Christian Dorer?