«RTL empört mit neuer Comedy-Show» titelt Huffpost am 27. September. Am Sonntag soll ein neues Format jeden guten Geschmack weiter unterschreiten. «Darf er das? – Die Chris Tall Show», vom Comedian Chris Tall moderiert, besteht nur darin, Tabus zu brechen. «Schwanger oder dick?», «Homo oder Hetero?» fragt der Moderator der RTL-Comedyshow, die am Sonntag ausgestrahlt werden soll, einige unappetitliche Typen.
Für den Klein Report berichtet die Kolumnistin Regula Stämpfli darüber, weshalb die Show nicht nur menschenverachtend, sondern regelrecht Werbung für Rechtsextreme, Rechtspopulisten und andere antidemokratische Strömungen ist.
RTL übernimmt die Sendung «Nimm deine Badesachen mit» vom niederländischen Fernsehen, die nach Protesten abgesetzt werden musste. Die Niederlande sind seit Jahrzehnten weit vorne mit dabei, wenn es darum geht, via Bildschirm den Zuschauenden «in die Fresse zu hauen». Letzterer Ausdruck stammt von SPD-Parteipräsidentin Andrea Nahles.
Die RTL-Show und Andrea Nahles sind sich näher, als man denkt. Seit einigen Jahren benehmen sich nämlich auch gewählte Politiker wie Stammtischproleten, die ihr Publikum mit hochemotionalen Auftritten, relativ peinlichen Witzen bis hin zu Schenkelklopfern unterhalten wollen. «Hauptsache lustig» ist die Devise: Demokratie soll schliesslich nur noch unterhalten.
Diese Art Meme-Kultur ist so populär, dass jede niedergeschrieen wird, die darauf hinweist, wie verwandt sich witziges Tabubrechen und Nazigeschrei in den letzten Jahren geworden sind.
Witze über Frauen und Schwule machen es allen leichter, sich Männerhorden anzuschliessen, welche Minderheiten zunächst lustig, dann doof finden und schliesslich zu willkommener Beute für Hetzjagden machen. Die hohe Akzeptanz von Vulgär- und Braunsprech auch in der politischen Kommunikation geht nicht spurlos an der echten Politik vorbei. Die Satire ist ungemütlich real geworden.
Selten wird darüber nachgedacht, welche Menschen- und Weltbilder hinter Satire, Primitivität, Vulgarität, Entblödung und Entblössung aller Menschen stecken. Vielleicht müsste man einfach mal nüchtern hinschauen: Worin unterscheiden sich eigentlich die frauenfeindlichen «lustigen» Burkabildchen, Sprüche und Karrikaturen bei Böhmermann oder der Heute-Show wirklich vom realexistierenden und populären Frauenhass? Der Kontext? Die netten Herren Welke oder Böhmermann?
Wenn es kein Gefühl mehr dafür gibt, was vulgär, primitiv, bösartig, menschenverachtend und zynisch ist, dann sind vulgäre, primitive, bösartige, menschenverachtende und zynische Witze nicht mehr witzig, sondern eigentliche Propaganda. Dies ist leider auch der Meme-Intelligenzia viel zu wenig bewusst.
Meme-Kult, Vulgarität und Humor hängen eng mit dem Aufstieg der Rechtsextremen zusammen. Seit die Nazis und deren Sprache, Uniformen, Hitlerbärtchen so «lustig» geworden sind, seit «Er ist wieder da» die Bestseller erklommen hat, ist es in Deutschland und anderswo alles andere als lustig. Wenn nichts mehr heilig ist, darf letztlich auch alles vernichtet werden.
Aus dem Porno-, Meme-, Scheissnazi-Haha-Witz ist schon lange bitterer Ernst geworden. Die Geist- und Geschmacklosigkeit hat sich nämlich von den Schenkelklopfern direkt in politische Parteiprogramme verlegt. Die Politcomedians oder selbsternannten «Tabubrecher» realisieren leider noch immer nicht, dass man auch von Diktatoren, die man auslacht, ohne Not eingesperrt und zu Tode verurteilt werden kann.