Klammheimlich zücken Demonstranten im Iran das Foto-Handy und drücken auf den Auslöser, immer in der Furcht, erwischt und verprügelt zu werden. Die verwackelten, unscharfen Aufnahmen werden an Freunde gemailt und dann ins Internet gestellt - einige der wenigen Bilder aus erster Hand von den Spannungen nach der umstrittenen Wahl vom 12. Juni. Doch das Fenster zur Welt wird immer kleiner, je vehementer die Staatsgewalt den Informationsfluss zu stoppen trachtet.
Ausländischen Medien ist es ohnehin schon verboten, aus eigenem Augenschein zu berichten, sodass Texte und Bilder oft schwierig zu verifizieren sind. Viele Websites, die der Nähe zu Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi verdächtigt werden, sind blockiert. Auf den Strassen des Landes, das die Organisation Reporter ohne Grenzen als «weltgrösstes Mediengefängnis» bezeichnet, wird ein Katz-und-Maus-Spiel ausgetragen. Augenzeugen berichten, dass Sicherheitskräfte Leute verprügelten, die Mobiltelefone in der Hand hielten.
Am Montag fanden neben Clips von Demonstrationen vor einer Moschee im Norden Teherans am Sonntag nur wenige neue Videos von offenbar einige Tage alten Protesten ihren Weg ins Netz. Andere Aufnahmen, manche mit Musik unterlegt, zeigen noch ältere Szenen gewalttätiger Zusammenstösse. Das deutet darauf hin, dass die iranischen Behörden die Möglichkeiten, Öffentlichkeit herzustellen, zunehmend abwürgen.
Viele Iraner, die Botschaften auf Twitter verbreiten oder Videos auf YouTube laden, wollen nicht identifiziert werden oder überhaupt mit den Medien reden. Einer schrieb der AP in einer E-Mail, er sei in einer «sehr gefährlichen Lage» und fürchte sich, weiterhin zu mailen oder zu telefonieren.
Ungeachtet aller Gefahren, Nachrichtensperren und Drohungen versuchen die Blogger doch, ihren Verfolgern einen Schritt voraus zu bleiben. «Wir benutzen jetzt das Festnetz und E-Mail, seit wir kein SMS mehr haben. Und das Internet ist zwar langsam, aber es funktioniert noch», sagte Modschtaba Samienedschad der AP. Der 28-jährige Menschenrechtsaktivist ist einer aus dem kleinen Kreis bekannter Blogger, die noch offen zu reden bereit sind.
Seit der Wahl behindert die iranische Regierung den Netzzugang, blockiert Dutzende missliebiger Seiten und verlangsamt den Zugang dermassen, dass beispielsweise Gmail oder Yahoo nahezu unerreichbar sind. Die globalisierungs-kritische Internetbewegung Avaaz.org kündigte am Montag eine Spendenaktion an mit dem Ziel, Iranern einen schnelleren Zugang zu ermöglichen. 75 000 Dollar sollen aufgetrieben werden, um die Bandbreite «massiv zu steigern».
Ohne Tricks, Sperren zu umgehen und auf Proxy-Server auszuweichen, können Iraner soziale Netzwerke wie Facebook und auch farsi-sprachige Nachrichtenportale nicht mehr erreichen. Der Empfang von Satellitenfernsehen - bislang trotz Verbots geduldet - wird ebenfalls gestört, darunter auch die persischen Kanäle von BBC und Voice of America. SMS sind seit Beginn der Proteste nicht mehr möglich, das Mobilfunknetz fällt oft aus. Die Revolutionsgarden haben gedroht, gegen alle vorzugehen, die Bilder oder Texte ins Netz stellen.
Dienstag
30.06.2009



