Der ausschlaggebende Faktor für den Auflagenschwund und den Rückgang der Inserate bei den Printmedien in der Schweiz sei der Vertrauensverlust, diagnostizierte Ex-Chefredaktor, Werber und Swiss-Verwaltungsratsmitglied Walter Bosch am Freitag am Jahreskongress des Verbandes Schweizer Presse (VSP) in Lausanne das aktuelle Elend. «Die Leser haben genug von Thesenjournalismus, Pseudo-Primeurs, Respektlosigkeit, Vermischung von Artikel und Kommentar, Leichtfertigkeit und tendenziöser Themengewichtung», sagte Bosch wörtlich und wusch damit den Printmedien-Verantwortlichen recht gründlich die Kappe.
Es sei eine Legende, dass die Zeitungen unter Kostendruck kämen, weil die Konkurrenz (Fernsehen, «20 Minuten») zunehme und die Leser deswegen abwandern würden, was dann aus Gründen der erforderlichen Sparsamkeit zu einem Abbau der Qualität führe. Vielmehr sei es genau umgekehrt: «Weil die Printmedien die Qualität als untergeordneten Faktor im Marketingmix behandeln, schwindet das Vertrauen, und dann verschwinden die Leser, die ihr Blatt nicht mehr lieben, dadurch wandern die Anzeigenkunden ab, und dann müssen die Redaktionen sparen, und die Restqualität sinkt noch weiter», ist der Teufelskreis aus der Sicht von Bosch.
«Liebe Verleger», redete Walter Bosch deshalb den VSP-Mitgliedern ins Gewissen: «Wir haben dringenden Handlungsbedarf. Statt Legenden zu konstruieren und diese am Ende selber zu glauben, sollten Sie dringend etwas unternehmen. Können Sie damit leben, dass Gratis-Wochenzeitungen bei den Lesern als deutlich glaubwürdiger wahrgenommen werden als klassische Zeitschriften, Tageszeitungen und Sonntagszeitungen, wobei die Sonntagszeitungen bezeichnenderweise am schlechtesten abschliessen?» Statt die Schraube mit Bingo, Sweepstake, Goldprämien, Autos, Weltreisen und was der Dinge mehr sind immer weiter zu drehen, sollen sich die Verleger mehr um den Inhalt ihrer Produkte als ums Marketing kümmern, empfahl er mit einem Seitenhieb zuhanden der «SonntagsZeitung»: «Belästigen Sie Ihre gutwilligen Leser nicht mit den Auswüchsen des Midrisk-Journalismus.» - Mehr zum VSP-Jahreskongress: VSP-Jahreskongress: Walpen gegen Bildungsfernsehen, VSP-Jahreskongress: Verleger wollen weiterhin keinen Branchen-GAV und VSP-Jahreskongress: Neues Departement, kein neuer Name
Samstag
18.09.2004