Im Rahmen des Petersberger Klimadialogs am 18. und 19. Juli in Berlin wird der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi auch deutsche Spitzenpolitiker treffen, unter anderem Annalena Baerbock.
Reporter ohne Grenzen (RSF) «erwartet von der deutschen Aussenministerin, dass sie al-Sisi in öffentlichen wie auch persönlichen Gesprächen dazu drängt, die Verfolgung von Journalistinnen und Reportern umgehend einzustellen», wie RSF in einem Rundscheiben am Montag zum Beginn des Treffens publik gemacht hat.
Sie diffamieren, schwärzen an, bringen ihre Kolleginnen und Kollegen ins Gefängnis: «In Ägypten machen sich regierungsnahe Fernsehmoderatoren zu Komplizen der Regierung», klagt RSF. «Als Marionetten des diktatorischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi verleumden und diskreditieren sie die wenigen verbliebenen kritischen Medienschaffenden im Land.»
Das zeigt Reporter ohne Grenzen in einem 27-seitigen Bericht mit dem Titel «Sisis Marionetten».
Es ist eine koordinierte Strategie, die zu einem Klima beiträgt, in dem unabhängige Medienschaffende wie der Blogger Alaa Abdel Fattah öffentlich abgeurteilt und so vom Regime drakonisch bestraft werden können.
Derzeit seien in Ägypten mindestens 23 Medienschaffende in Haft, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahrgenommen hätten, weiss RSF.
«In Ägypten werden kritische Stimmen systematisch mundtot gemacht», sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. «Unabhängige Journalistinnen und Journalisten riskieren ständig, des Terrors verdächtigt und ins Gefängnis gesteckt zu werden. Präsident Abdel Fattah al-Sisi redet immer wieder davon, dass sein Land die Menschenrechte achte. Daran muss er sich messen lassen, und daran muss ihn Aussenministerin Annalena Baerbock nun persönlich erinnern.»
Gemäss dem RSF-Bericht sind Medienschaffende «ausländische Agentinnen», «Anhänger der Muslimbruderschaft» oder pauschal «unmoralische Menschen», welche «die ägyptische Nation verraten».
Politische Talkshows sind in Ägypten sehr beliebt. Weil die Angriffe der Moderatoren auf Andersgesinnte zur besten Sendezeit und vor einem Millionenpublikum stattfinden, entfalten sie eine ungeheure Wucht.
«Sisis Marionetten» zeigt auch, dass mehrere dieser regierungstreuen Fernsehmoderatoren enge Verbindungen zu den ägyptischen Geheimdiensten haben. Naschat al-Dihi etwa moderiert ein politisches Format im Sender Ten TV, deren Direktor er auch ist. Al-Dihi ist berüchtigt dafür, gezielt Falschinformationen zu streuen. Seine bevorzugten Ziele sind die bekannten Gesichter der unabhängigen, fast nur noch in Kairo existierenden Medienlandschaft.
Über das Portal «MadaMasr» und Chefredakteurin Lina Attalah behauptete er: «Sie veröffentlichen falsche Berichte und schicken sie dann ans Ausland, um von dort Geld zu bekommen.»
Über den Journalisten und Menschenrechtsverteidiger Hossam Bahgat behauptete al-Dihi, er würde mit «dem Westen» unter einer Decke stecken und gegen Ägypten agitieren.
Auch Ahmad Musa hetzt regelmässig gegen Kolleginnen und Kollegen. Musa ist aufgrund seiner enormen Popularität die wohl bekannteste und damit auch gefährlichste Marionette des Präsidenten al-Sisi.
Im Ägypten des Jahres 2022 ist Ahmad Musa ein Meinungsführer, der seine herausgehobene Position in den Dienst des autoritären Regimes stellt. Seine bei Sada al-Balad ausgestrahlte TV-Sendung «Ala Masouliti» («Auf meine Verantwortung») wird von Millionen verfolgt. Was er sagt, hat Wirkung. Und diese verunmöglicht für andersdenkende Journalistinnen und Journalisten in vielen Fällen die weitere korrekte Recherche.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen fällt Ägypten seit Jahren Schritt für Schritt ab und steht aktuell auf Platz 168 von 180 Staaten.