Am 24. November 1989, einem fast wolkenlosen, eiskalten Freitag, rund zwei Wochen nach dem epochalen Fall der Berliner Mauer, präsentiert die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) ihren 228-seitigen Bericht über die «Vorkommnisse im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement».
Der Presseraum im Bundeshaus platzt aus allen Nähten, die Journalisten wetzen die Messer, denn die «Affäre Kopp» verspricht saftige Schlagzeilen. Doch es kommt anders, so berichtete die «Neue Zürcher Zeitung» in der Samstagsausgabe.
Der SP-Nationalrat und spätere Bundesrat Moritz Leuenberger, der die PUK präsidierte, liess damals eine Bombe platzen: Übereifrige Beamten hatten hierzulande während des Kalten Krieges 900 000 Personen und Organisationen bespitzelt - aus Furcht vor Unterwanderung und Subversion.
Jeder zwanzigste Schweizer und jeder dritte Ausländer wurde in den geheimen Karteien der Bundespolizei erfasst. Der Neologismus der Stunde hiess damals «Fiche». Gelagert wurde das belastende Material an der Taubenstrasse 16 in Bern, bis heute der Sitz der Bundesanwaltschaft.
In einem bestens gesicherten, klimatisierten Saal befanden sich die grünen, metallenen Archivschränke. Die alphabetische Registratur der Fichen im Format C5 mit all ihren Querverweisen auf weitere umfangreiche Dossiers glich einem Labyrinth. Interessant für Journalisten war und ist es heute noch: Für die Misere geradestehen musste CVP-Bundesrat Arnold Koller als Justizminister. Er gab sich selbstkritisch, war ja selber in der «Fichendatei» unter anderem mit einem bundeskritischen Interview in einer Tageszeitung vertreten.
Noch weiss man bis heute nicht, ob der damalige gesamte Bundesrat über diese Bespitzelung von grossem Ausmass informiert war. Jedenfalls hatte die Bundespolizei nicht nur die Medien ausspioniert und nach staatsgefährdeten Äusserungen observiert.
Alle kritisch angehauchten Demonstrationen und Veranstaltungen wurden durch Zivilpolizisten und Agenten protokolliert und auch laufend Personen registriert. Ein Fanal des Bundesstaates - der Eidgenossenschaft -, die sich als liberaler und demokratischer Staat bös ins Abseits manövrierte und diktatorische DDR-ähnliche Züge annahm.
