Franziska von Grünigen alias Katja Walder, die über zehn Jahre lang bis zur Einstellung des «Blick am Abend» zweimal wöchentlich die Pendlerkolumne «Abgefahren» veröffentlicht hatte, schreibt ab sofort für die «SBB News». Mit voller redaktioneller Freiheit, wie die SBB mitteilen.
«Die SBB hat Mut, das gefällt mir. Wer holt sich sonst schon die Kritikerin freiwillig ins Haus? Das ist fast schon Rock ´n` Roll!», wird Walder in den SBB News zitiert.
Ist das also jetzt die berufliche Perspektive für Journalisten, fragt sich der Klein Report? Nachdem eine Redaktion vor den Marktfakten kapituliert und den Print-Laden dicht gemacht hat, wechselt man kurzerhand in das Umfeld, über das man bisher berichtet hatte.
Die erste Kolumne, die in Zukunft einmal pro Woche erscheint, ist veröffentlicht. Und Walder übt auch Kritik, aber nicht an der SBB, sondern an den Fahrgästen. Denn Walder macht all jenen ein schlechtes Gewissen, für welche die Nahrungsaufnahme ein notwendiges Übel ist und deshalb am besten bei voller Fahrt im Zug getätigt wird.
So vergeht einem bei der Lektüre ihrer SBB-Kolumne ganz schnell der Appetit, wenn Walder von auf das Polster triefenden Butterbrezeln schreibt, von schmatzenden Zeitgenossen, die ihre eigenen Lärmemissionen nicht mitkriegen, weil sie Kopfhörer anhaben bis hin zu wirklich grausigen Beobachtungen vom Gegenüber, das in seiner Nase bohrt und das zu Tage beförderte genüsslich verspeist.
Die SBB wird sich ob solch mahnender Worte freuen, ist doch Littering und Verschmutzung der Waggons ein Dauerthema. Der moralische Zeigefinger Walders fördert bestenfalls das gute Benehmen der Fahrgäste. Warten wir mal ab, wie es aussieht, wenn nicht mehr die Reisenden im Visier der Kolumnistin sind, sondern der Staatsbetrieb selbst. Wenn es um Verspätungen, Zugausfälle und Preiserhöhungen geht. Ist die Walder dann auch so angriffig wie gegenüber ihren Mitreisenden?