Fake News und Big Data sind die medialen Verkaufsschlager, wenn es um Qualitätsjournalismus respektive dessen Gegenteil geht. Weniger Beachtung erfährt dabei der linguistische Ansatz, obwohl dieser eigentlich viel erklären könnte.
Medienexpertin Regula Stämpfli machte sich für den Klein Report Gedanken über das sogenannte «Framing» - Agenda Setting im grossen Stil, sich wiederholende Sprachbilder inklusive Deutungsrahmen - und dessen Wirkungen für Medien und Politik.
Im Mai 2015 publizierten Franco Moretti und Dominique Pestre ihre aufsehenerregende Studie «Bankspeak». Mithilfe analytischer und quantitativer Linguistik wiesen sie nach, wie die Weltbank, zuständig unter anderem für Entwicklungsprojekte, ihre Jahresberichte in einem veritablen «Banksprech» – «Bankspeak» ersäufen.
Statt von Armutsbekämpfung redet die Weltbank von «Management» und den dazugehörigen «Tools». Statt von Demokratie mittels Bildung, Subventionen und öffentlicher Infrastruktur ist von «Evaluation der Möglichkeiten» die Rede.
Milliarden werden für «Entwicklungspotentiale» statt für echte Entwicklung ausgegeben. Armut, Folter und Krankheit werden nicht bekämpft, sondern «begleitet». Sie stellen angeblich keine Bedrohung mehr dar, sondern «Herausforderungen». Fehlende Politik wegen linguistischen Desastern: «It is all change, and no future», folgern Moretti und Pestre deshalb in ihrer Studie.
Dieses «Banksprech» korrespondiert nun mit einem Phänomen, das ich den «Trump-Dialekt» nenne. Die populistische Wahlsprache von Donald Trump war auch deshalb so erfolgreich, weil sich alle Verwaltungen, Universitäten und Medien im «Banksprech» perfektioniert haben.
Donald Trump - und vor ihm bereits Christoph Blocher oder Jörg Haider - machten sich über das ökonomische Kauderwelsch der Eliten mit einer eigenen Sprache lustig. Deshalb stossen sie seit den 1990er-Jahren auch auf soviel Anklang.
Denn «Banksprech» gibt vor, faktisch, objektiv und neutral zu sein mit dem Zweck und grossem Erfolg, alles der Sprache des Geldes und dem Profit der Banken zu unterwerfen. «Trump-Dialekt» oder «Populistensprech» gibt vor, die «Sprache des Volkes» zu artikulieren.
Diese Frames sprechen Menschen direkt an - wahr oder unwahr spielt absolut keine Rolle, Hauptsache, die Sprachbilder finden emotionale Resonanz. Beide linguistischen Machtansätze werden von den Medien unkritisch eins zu eins wiedergegeben. So ergeben sich Deutungsrahmen, denen nicht widersprochen werden kann. Die Empörung über Trump füttert seinen Wahlkampf und legitimiert seine kommende Regierung - dem Herrschaftsprinzip von Erdogan nicht unähnlich.
In «Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet - und daraus Politik macht» erzählt die Linguistin Elisabeth Wehling von einem Experiment. Eine Gruppe von Probanden erhielt im Vorfeld eines Tests mehrere Texte, in denen das Wort «Gepard» vorkam. Die andere Gruppe erhielt das Wort «Schildkröte».
Im Anschluss an den Text mussten die Probanden das Schritttempo eines fremden Mannes auf einem Foto einzuschätzen. Die «Gepard»-Probanden waren auf der schnellen Seite, die mit dem Wort «Schildkröte» auf Schritttempo-Niveau.
Worte sind ebenso wichtig wie Big Data. Mit Worten werden autoritäre Systeme vorbereitet, legitimiert und bleiben weit über ihren Niedergang bestehen. Wie wäre es, für einmal mit Worten endlich mal die Demokratie vorzubereiten?
Richtig: Das nennt man politische Korrektheit - ein Frame, der sich jedoch längst gegen sich selber gewendet hat.