«Ich habe nie angepeilt, Mitglied der Unabhängigen Beschwerdeinstanz (UBI) zu werden», sagt der Bündner Anwalt Vincent Augustin im Gespräch mit dem Klein Report. Nach nur kurzer Mitgliedschaft steht der ehemalige Präsident der Lia Rumantscha nun als erster Rätoromane an der Spitze der UBI.
Vincent Augustin sitzt erst seit 2013 in der insgesamt neunköpfigen Gruppe, die sich aus Juristen und Anwälten zusammensetzt. «In dieser Zeit habe ich den Eindruck erhalten, dass die UBI sehr professionell organisiert ist und professionell gearbeitet wird», lobt Augustin das Gremium, in dem er selber Mitglied ist. «Die meisten Entscheide werden akzeptiert. Seit ich dabei bin, wurde kein Entscheid, bei dem ich mitgewirkt habe, vom Bundesgericht aufgehoben», zieht der neue Präsident eine positive Bilanz der abgelaufenen zwei Jahre. Drei Fälle sind noch pendent beim Bundesgericht - eine Prognose, ob diese Beschwerden gutgeheissen oder abgewiesen wird, ist derzeit noch nicht möglich.
In der seit 1984 bestehenden UBI befasst sich Augustin mit Beschwerden gegen den Inhalt von Radio- und Fernsehsendungen. «In erster Linie sind es Fernsehprogramme. Wenn man etwas auf einem Bildschirm sieht, regt man sich wohl viel schneller auf», vermutet der hauptberufliche Anwalt, der bei der Kanzlei «Fryberg Augustin Schmid», Rechtsanwälte und Notare, in Chur dabei ist. Augustin ist Mitglied der CVP Graubünden und Alt-Grossrat.
Die meisten Beschwerden erhält die UBI «zu Sendeprogrammen des SRF. Das sind häufig Formate mit politischem Inhalt, beispielsweise zu nationalen Wahlen und Abstimmungen oder zur Weltpolitik: Bei den Ausstrahlungen zu Israel und Palästina, der Ukraine oder aktuell dem Syrienkonflikt stellt sich die Frage, ob die Berichterstattung parteiisch ist.»
In der UBI werden diese Sendungen darauf geprüft, ob sie dem Sachgerechtigkeitsgebot gemäss dem RTVG entsprechen: «Insgesamt stelle ich den angefochtenen Radio- und TV-Programmen in dieser Hinsicht ein gutes Zeugnis aus», sagt Augustin gegenüber dem Klein Report. Die Fälle seien immer wieder interessant. Besonders spannend sei jeweils zu verfolgen, «wie die Medienschaffenden die Themen aufgreifen, wie die Berichterstattung aufgegleist wird und worauf der Fokus gelegt wird».
Dann berichtet Augustin von einem aktuellen Fall: «Seeuferanstösser streiten gegen eine Vereinigung, die das Seeufer frei haben will.» Eine typische Konstellation.
Ein eher kurioser Fall wartet ebenfalls noch auf eine Beurteilung, wobei es um einen Bericht von Radiotelevisione Svizzera (RSI) zum Autosalon in Genf geht. «Der Fokus der Sendung lag auf der Entwicklung der Autos in der Zukunft, auf selbstfahrenden Autos, grösseren Automarken und schönen Frauen. Im 8-minütigen Beitrag wurden zwei Sätze in Bezug auf einen Autohersteller im Tessin gesagt, die einen Unternehmer in ein kritisches Licht stellen», erzählt Augustin. Das reichte offenbar für den Autohersteller, um seine Anwälte einzuschalten und eine umfassende Beschwerde einzureichen.
Als neuer UBI-Präsident trägt Vincent Augustin nun «zusammen mit Pierre Rieder, dem Leiter des Sekretariats, die Gesamtverantwortung in der UBI. Ausserdem werde ich mehr ins Gremium integriert. Nun bin ich nicht mehr Referent, sondern derjenige, der die Argumente zu bewerten hat. Ausserdem nehme ich zusätzlich Repräsentationsaufgaben wahr», beschreibt Augustin seine neue Funktion. «Am meisten freue ich mich, Chef zu sein», findet er schliesslich gut gelaunt.
Dass er als erster Rätoromane an der Spitze der UBI steht, ist für den Bündner Anwalt «eine Ehre und nicht selbstverständlich. Es gab aber in der Schweiz auch schon einen rätoromanischen Bundesrichter, mehrere Bundesratsmitglieder und nicht zuletzt die abtretende Bundeskanzlerin, Corina Casanova aus Ilanz.»