Content:

Dienstag
06.09.2022

Medien / Publizistik

Die Jugend ist ein Spiegel: Es geht nicht einfach nur darum, ein Vertrauensdefizit bei den Jungen zu diagnostizieren, sagt der Erziehungswissenschaftler Holger Ziegler. (Bild zVg)

Die Jugend ist ein Spiegel: Es geht nicht einfach nur darum, ein Vertrauensdefizit bei den Jungen zu diagnostizieren, sagt der Erziehungswissenschaftler Holger Ziegler. (Bild zVg)

Ganz überraschend kommt die Diagnose nicht – und doch rüttelt sie auf: Zwei von drei deutschen Jugendlichen misstraut den Medien – und einer von drei denkt sogar, dass die Journalisten absichtlich Fake News verbreiten.

«Sehr viel, was wir über die Welt wissen, wird über Medien vermittelt», sagt Holger Ziegler im Gespräch mit dem Klein Report. Unter der Leitung des Erziehungswissenschaftlers von der Uni Bielefeld wurden jüngst 1500 Kinder und Jugendliche dazu befragt, wie sehr sie sich selber, ihren Mitmenschen und den gesellschaftlichen Institutionen vertrauen.

Weil vieles, was über die – teils recht unübersichtliche – Welt berichtet wird, nicht mit dem perönlichen Erleben übereinstimmen müsse, hätten es Journalisten und Journalisten «von Haus aus vergleichsweise schwer, hohe Vertrauenswerte zu erreichen», so Ziegler weiter.

Gemäss der Studie lehnen fast 40 Prozent der Befragten die Aussage «Zeitungen und Nachrichtensendungen verbreiten Nachrichten, denen man vertrauen kann» ab.

Deutlich weniger Vertrauen haben jene jungen Menschen, die in weniger wohlhabenden Familien aufwachsen. «Und jene – was zusammenhängt –, die die subjektive Erfahrung von Ungerechtigkeiten machen oder dass ihre Bedürfnisse und Anliegen wenig Berücksichtigung finden.» 

Über die heutige Jugend zu klagen, liegt dem Erziehungswissenschaftler fern. Es gehe nicht einfach nur darum, ein Vertrauensdefizit bei den Jungen zu diagnostizieren. «Die Frage ‚Was ist da mit den Jugendlichen los?‘ ist spätestens dann ziemlich billig, wenn man nicht gleichzeitig die Frage stellt, was da mit ‚den Institutionen‘ oder ‚den Medien' los ist.»   

Darauf angesprochen, wo er die Grenze ziehen würde zwischen gesunder Skepsis, ignorantem Medien-Bashing oder schlichtem Desinteresse, sagt Holger Ziegler: «Die Grenzen sind fliessend, jedenfalls kann ich sie nicht wirklich scharf ziehen.» 

Junge Menschen, die von sich behaupten, Medieninhalte zu prüfen, hätten nicht weniger, sondern mehr Vertrauen in Journalisten und ihre Arbeit. Das gilt auch für jene drei Viertel der 12- bis 16-Jährigen, die angegeben haben, sich für Nachrichten zu interessieren. Den jungen Menschen also pauschal ein Desinteresse vorzuwerfen, funktioniert nicht. 

«Nicht alles für ‚wahr‘ zu halten, was irgendjemand sagt, sondern zu prüfen, zu hinterfragen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, ist etwas anderes als die Vermutung, dass alles manipulatives Blendwerk und Vertuschung sei, hinter der in Wahrheit eine andere, meistens bösartige Absicht stecke», so der Studienleiter weiter zum Klein Report. 

«Scharf ist diese Grenze nicht, aber ich vermute trotzdem, dass sie bedeutsam ist.»