«Die Edelhure, die sich nimmt, was sie will» - unter diesem Titel berichtete «20 Minuten Online» am 28. Februar über einen Prozess am Zürcher Bezirksgericht. Die Angeschuldigte, so Autor Attila Szenogrady, sei wegen Freiheitsberaubung und Betrugs zu 24 Monaten Freiheitsentzug verurteilt, vom Vorwurf der sexuellen Nötigung aber freigesprochen worden.
Das Pendlerblatt «20 Minuten» wiederum hat einen Bericht über den Gerichtsfall mit einem Facebook-Profilbild der Angeschuldigten illustriert und damit Ziffer 7 («Identifizierung») der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Zu diesem Schluss kommt der Presserat, der eine Beschwerde gegen die Berichterstattung teilweise gutgeheissen hat.
In der gedruckten Ausgabe vom 29. Februar berichtete Roman Hodel unter dem Titel «Freispruch: Banker nicht sexuell genötigt», dass die «Edelprostituierte», die an einer Persönlichkeitsstörung leide, wegen IV-Betrugs und weiterer Delikte zu 24 Monaten Freiheitsentzug, «aufgeschoben zugunsten einer ambulanten Psychotherapie», verurteilt worden sei. Illustriert war der Artikel mit einem Facebook-Profilbild der Angeschuldigten, auf dem diese eine Maske trug.
Die Betroffene beschwerte sich daraufhin beim Presserat. «20 Minuten» habe wegen der Veröffentlichung des Fotos in ihre Privatsphäre eingegriffen und ihre Persönlichkeit verletzt. Weiter beanstandete sie, dass sie in der Berichterstattung generell verächtlich dargestellt worden sei und dass intime Details veröffentlicht worden seien. Auch sei der Titel «Die Edelhure, die sich nimmt, was sie will» ehrverletzend.
Der Presserat hat die Beschwerde teilweise gutgeheissen. Wie die Tamedia bereits eingeräumt habe, habe «20 Minuten» durch das Facebook-Profilbild die Ziffer 7 der «Erklärung» in Bezug auf die Identifizierung verletzt. Es sei unbestritten, so der Presserat in seiner Stellungnahme vom Dienstag, «dass die Beschwerdeführerin aufgrund des im Bericht der Printausgabe von `20 Minuten` veröffentlichten Facebook-Profilbildes über ihr engstes familiäres und soziales Umfeld hinaus erkennbar war, ohne dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung bestand».
Die Persönlichkeit der Beschwerdeführerin aber sei nicht allein dadurch verletzt worden, dass die Pendlerzeitung «wahrheitsgemäss und in verhältnismässiger Weise über die Gerichtsverhandlung berichtet» habe, auch wenn dabei Privates thematisiert worden sei, findet der Presserat.