Die Veröffentlichung intimer Details aus dem Vergewaltigungsprozess gegen Jörg Kachelmann durch Bild.de war zulässig, weil sie in der öffentlichen Verhandlung vorgelesen wurden. Mit dieser Begründung lehnte der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag eine Klage des Wettermoderators gegen die Springer-Publikation ab. Kachelmann wollte erreichen, dass die Informationen nicht weiterverbeitet werden dürfen, wobei das Landgericht Köln dem Antrag im Sommer 2011 stattgegeben hatte.
Der Bundesgerichtshof kam im Revisionsprozess zum Schluss, dass die Veröffentlichung intimer Details im Juni 2010 wegen der «in der europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung und einer möglichen durch die Medienberichterstattung bewirkten Stigmatisierung» eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts Kachelmanns und also rechtswidrig war. Dennoch bestehe kein Anspruch auf Unterlassung.
«Nach Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichten Hauptverhandlung war eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äusserungen zulässig. Infolgedessen ist die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen», heisst es in der Begründung des Karlsruher Gerichts. Es sei nicht zu erwarten, dass es zu einer erneuten Veröffentlichung in ähnlicher Form komme.
Streitpunkt war der Artikel «Der Kachelmann-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht?», in dem die Onlineausgabe der «Bild» im Juni 2012 Details aus einem Prokoll zitierte. Während Kachelmanns Anwalt Matthias Siegmann dem Springer-Medium vor Gericht vorwarf, es sei in dem Artikel weniger um Aufklärung oder Berichterstattung als darum gegangen, den Voyeurismus der Leser zu befriedigen, argumentierte Bild.de mit dem Recht und der Pflicht auf Gerichtsberichterstattung. Auch seien die Aussagen für das Verständnis des Falles wichtig gewesen.
Begrüsst wurde der Entscheid des Bundesgerichtshofes am Mittwoch vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV). «Das BGH-Urteil ist sehr differenziert. Es handelt sich daher keinesfalls um einen Freifahrtschein für Sensationsberichterstattung», sagte der DVJ-Bundesvorsitzende Michael Konken. Es sei klar, dass der Inhalt von öffentlichen Verhandlungen von der Presse wiedergegeben werden müsse, dies habe der BGH «im Sinne der Pressefreit» bestätigt. Doch sei klar, «dass der Schutz von Zeugen und Opfern Vorrang vor der Berichterstattung haben muss. Dafür haben wir aber schon den Pressekodex des deutschen Presserates», so Konken.
Kachelmann & bild.de - am 21.1.2011: Kachelmann einigt sich mit «BILD.de» und am 12.8.2010: Kachelmann verzichtet auf Verbot der «Bild.de»-Berichterstattung
Am 29.11.2012: Kachelmann: Nachzahlung statt Rückerstattung
Am 11.10.2012: Einstweilige Verfügung gegen Kachelmann-Buch «Recht und Gerechtigkeit»