Der Appenzeller Verlag hat im Januar den orte Verlag samt der Literaturzeitschrift «orte» von Verlagsgründer Werner Bucher übernommen. Für den Klein Report blätterte Verleger Marcel Steiner in der Verlagsgeschichte und verriet, was sich seit der Übernahme im und um das Lyrikmagazin herum getan hat.
«Die Literaturzeitschrift 'orte' und der Orte Verlag wurden 1974 von Werner Bucher in Zürich gegründet», setzt Steiner ganz am Anfang im Geburtsjahr der Zeitschrift an. «1989 zog Werner Bucher zusammen mit seiner Frau Irene Bosshart Bucher nach Zelg-Wolfhalden in Appenzell Ausserrhoden, wo sie den 'Kreuz'-Verlag und Wirtschaft betrieben. 2006 erfüllten sie sich den Traum einer eigenen Liegenschaft in der Rütegg und verlegten Verlag und Wirtschaft nach Oberegg in Appenzell Innerrhoden», erinnert sich Steiner weiter.
2014 wollte der 76-jährige Verlagsgründer sein Kind weitergeben. In dem langjährigen 'orte'-Mitarbeiter Virgilio Masciadri hatte Bucher eigentlich schon den «idealen Nachfolger» gefunden, erzählt Steiner. Doch es kam anders: «Der Übergang der Verlagsgeschäfte an Masciadri konnte allerdings nicht abgeschlossen werden, da Virgilio Masciadri im Mai 2014 fünfzigjährig einem Krebsleiden erlag.»
Auf den 1. Januar 2015 übernahm dann der Appenzeller Verlag den orte Verlag. «Mit dem Verkauf hat der orte Verlag eine nachhaltige Nachfolgeregelung getroffen», meint Steiner und beteuert: «Die Marke orte - vor allem bekannt für Lyrik, Krimis und die Literaturzeitschrift - bleibt bestehen und wird unter dem Dach des Appenzeller Verlags weiterentwickelt.»
Gleichzeitig mit dem Kauf des orte Verlags löste sich der Appenzeller Verlag per 1. Januar 2015 aus der NZZ-Mediengruppe heraus. Das Verlagsgeschäft wird seither in der von Marcel und Yvonne Steiner gegründeten Appenzeller Verlag AG weitergeführt. Die Appenzeller Verlag AG mit den Verlagen Appenzeller Verlag, orte Verlag, Toggenburger Verlag und edition punktuell hat ihren Sitz in Schwellbrunn und beschäftigt elf Mitarbeitende.
Die grösste Herausforderung bei der Übernahme lag für Steiner ganz auf praktischer Ebene. Die Integration der orte-Daten in das EDV-System des Appenzeller Verlags sei nicht ohne gewesen. «Eine zweite Herausforderung waren der Zusammenzug und die Aussortierung grosser Lagerbestände, sowohl von alten Zeitschriften als auch von Büchern.»
Der Appenzeller Verlag blieb dem Konzept der «orte»-Zeitschrift bisher treu. «Wir haben keine Änderungen grundsätzlicher Art aufgenommen.» Neuerungen gab es aber optisch und publizistisch: «Wir haben das Layout einem sanftem Relaunch unterzogen und einen Ausgabeplan erstellt. Diesen gab es nämlich früher nicht. Nun erscheint die Zeitschrift regelmässig.»
«Natürlich ist 'orte' für den Werbemarkt interessant. Nur hat’s dieser leider noch nicht gemerkt», konterte Steiner auf die Frage nach dem Zweifel, ob ein Lyrikheft überhaupt Werbekunden begeistern könne. «Die 'orte'-Leserschaft ist urban, gut situiert und hat dank jahrelanger Abodauer eine feste Bindung zum Heft. orte finanziert sich ganz normal über Inserate und Abos, dazu kommen noch Druckkostenbeiträge von Migros und Pro Helvetia.»
Auf die Frage, warum man sich die aktuelle Ausgabe Nummer 182 unter dem brisanten Titel «Schreibzündungen» auf keinen Fall entgehen lassen sollte, gings ans Eingemachte der Schriftstellerei. Steiner: «Weil es eine inspirierende und unterhaltende Lektüre zur uralten Frage des Furor poeticus bietet - welches ist der Ursprung der dichterischen Inspiration?»
Steiner verrät auch, dass sich das achtköpfige Redaktionsteam der Zeitschrift immer am ersten Montag im Monat «in der 'Weinstube' beim Central in Zürich» treffe. Auf dass die redaktionelle Inspiration reichlich fliesse!