Der Ringier-Verlag kommt möglicherweise in deutsche Hände. Der Axel-Springer-Verlag verhandle mit Ringier über eine komplette Übernahme des Schweizer Verlaghauses, verlautete am Freitag aus Verhandlungskreisen. Die beiden Verlagshäuser verhandeln seit einiger Zeit über den Verkauf des 40-prozentigen Anteils von Leo Kirch am Axel-Springer-Verlag. Nun zeichnet sich in diesen Gesprächen eine neue Entwicklung ab. Springer würde den grössten Schweizer Verlag im Sinne einer Überkreuzbeteiligung zunächst vollständig übernehmen. Im Gegenzug würde dann Verleger Michael Ringier das Aktienpaket im Umfang von 40 Prozent von Kirch an Springer kaufen, was zur neuen Firma «Springier» führen würde. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte aus verhandlungsnahe Kreise, die damit einen Bericht des «Handelsblatt» bestätigten. Knackpunkt sei derzeit die Bewertung des Ringier-Verlags. Springer sei nicht bereit, die von Ringier geforderten 800 Mio. Euro für eine Übernahme des Schweizer Verlagshauses zu bezahlen, hiess es weiter. Mit diesem Betrag wolle Ringier dann das 40-Prozent-Aktienpaket von Leo Kirch an Springer erwerben.
«Springier» würde mit dem Deal zu Europas grösstem Printkonzern mit einem Jahresumsatz von rund 5,1 Mrd. Franken. Sprecher beider Häuser wollten die Berichte nicht kommentieren. «Zu den laufenden Verhandlungen geben wir keine Details bekannt», sagte Ringier-Sprecher Fridolin Luchsinger. In Unternehmenskreisen hiess es, die Gespräche seien komplex und könnten ohne weiteres noch bis Oktober dauern. Am Ringier-Firmensitz in Zofingen fand am Freitag eine Sitzung des Verwaltungsrates des Verlags statt. Gespräche über eine Fusion hatten Springer-Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner und Verleger Michael Ringier bereits vor mehr als einem Jahr aufgenommen. Doch erst mit der Kirch-Krise wurden die Verhandlungen konkreter.
Ein Zusammenschluss der beiden Verlage macht Sinn. Mit ihren jeweiligen Boulevardblättern «Bild» und «Blick» sind Springer und Ringier Marktführer in ihren Heimatländern. In Osteuropa, als Wachstumsmarkt von zentraler Bedeutung, machen sich die Häuser kaum Konkurrenz. Zudem müssen die Beteiligten kaum kartellrechtliche Probleme befürchten. Einig sind sich beide Verlagshäuser angeblich schon in der Besetzung von Aufsichtsrat und Vorstand. Neben einem Mandat im Kontrollgremium soll Ringier zwei Posten in einem erweiterten Vorstand bekommen.
Die Deutsche Bank kann nach einer Entscheidung des Landgerichts München Leo Kirchs Beteiligung am Axel-Springer-Verlag verkaufen. Das Landgericht wies am Freitag einen Antrag Kirchs auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Nach Angaben aus Branchenkreisen hat der Springer-Aufsichtsrat für den Verkauf des Kirch-Verlagsanteils an den Schweizer Verlag zwar noch kein grünes Licht gegeben, jedoch seine Bereitschaft signalisiert. - Mehr zu Kirch und Springer im Archiv
Freitag
20.09.2002