«Die Demokratisierung der Markenführung. Dieser Titel hat mich stutzig gemacht», sagte Urs Schneider in seinen Begrüssungsworten beim 3. Marketing-Meeting am Donnerstag. «Als Schweizer dachte ich, es handelt sich hier vielleicht um eine Volksinitiative. Weit gefehlt, es geht um die Veränderung der Gesellschaft und die daraus resultierenden Konsequenzen für Marketing und Kommunikation», so der Inhaber der Mediaagentur Mediaschneider, die zusammen mit plan.net Suisse den Marketinganlass im Zürcher Lake Side zum dritten Mal organisiert hat.
80 Marketingprofis lauschten den Ausführungen im Zürcher Lake Side, als Peter Haller, Geschäftsführer der Serviceplan-Gruppe, seine Ausführungen zur Analyse von GfK und Serviceplan vortrug. «Das Ende des Mythos vom ewigen Mengenwachstum ist gekommen.» In Deutschland sei gut zu erkennen, dass der Absatz von Produkten des täglichen Bedarfs aufgrund sozioökonomischer Einflüsse bereits von 2006 bis 2011 um zwei Prozent rückläufig sei, bei Textilien sogar um zehn Prozent und selbst bei Urlaubsreisen um fünf Prozent zurückgegangen sei. «Der Mythos vom ewigen Wachstum ist definitiv zu Ende», so Haller, der vor 40 Jahren von Bern nach München ausgewandert ist.
Auch langfristig sei mit einem weiteren Minus bis 2015 von nochmal 1,2 Prozent allein für Fast Moving Consumer Goods (FMCG) zu rechnen, bei Textilien mit weiteren minus 4,9 Prozent und bei Urlaubsreisen mit nochmal minus 3,7 Prozent . «Von Branche zu Branche sehr unterschiedlich und zum Teil dramatisch», kommentierte der Marketingmann die Zahlen für Deutschland, die für die Schweiz etwas besser aussehen, da in den letzten fünf Jahren der Ausländeranteil um etwa 14 Prozent angewachsen ist. Und die konsumieren alle freudig, die Keule schwingt hier zeitlich verzögert.
«Wir müssen uns zum ersten Mal seit den 50er‐Jahren auf eine langfristig rückläufige Absatzentwicklung einstellen und lernen damit umzugehen», so Haller, und das vor dem Hintergrund eines ständig abnehmenden Stellenwertes des Marketings in den Unternehmen in den letzten zehn Jahren. Themen wie Finanzwirtschaft, Globalisierung, Verlagerung von Produktionsstätten und Exportpolitik haben die Themenführung übernommen. Das Marketing sei an einer entscheidenden Schwelle: «Das Mengen‐Minus muss durch eine neue wertorientierte Markenführung kompensiert werden.»
Die grösste Chance für das Marketing ist, den unausweichlichen Mengenrückgang durch wertmässiges Wachstum überzukompensieren, hiess es weiter an der Tagung. Dazu sei aber eine neue qualitative Markenführung notwendig, die alle Ebenen des Marketing betrifft: Produktinnovation, Preispolitik, Kommunikation und Budgetpolitik. Die neuen Lebenswelten der Menschen müssten ganzheitlich erfasst werden. Das Marketing sollte differenziert auf das neue Konsumverhalten und die Mediennutzung reagieren.
Und spätestens hier beginne die Demokratisierung der Markenführung. Denn die Mitbestimmung der Verbraucher sei enorm: «41,8 Millionen User von 14 bis 69 Jahre sind heute Online. Davon reden 25,2 Millionen in einem der Social‐Webs aktiv mit. 50 Prozent verfolgen ihre bevorzugten Marken (im Durchschnitt zwölf) im Netz und äussern sich aktiv dazu. Bereits 35 Prozent haben aufgrund der Kommentare anderer User schon Kaufverzicht geübt - und damit massiv Einfluss auf Umsatz und Einstellung zu den betreffenden Marken genommen», zeigen Ergebnisse von Paneldaten von über 30 000 jahrelang beobachteten Haushalten. GfK hat bis zu 1000 Marken je Thema analysiert und empirisch festgestellt, wodurch sich Gewinner‐ und Verlierermarken in Marketing und Kommunikation unterscheiden.
Zusammenfassend kann man sagen: Der Verbraucher will bei Marken, die ihm täglich begegnen und die seinen Lebensstil beeinflussen, heute und in Zukunft noch verstärkt aktiv mitreden. Wird nicht darauf reagiert, übernimmt der Markt die Regie.