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Samstag
03.02.2024

Werbung

Das städtische Reklamereglement schränkt Werbung in der Berner Bilderbuch-Altstadt bereits heute stark ein... (Bild © bern.com)

Das städtische Reklamereglement schränkt Werbung in der Berner Bilderbuch-Altstadt bereits heute stark ein... (Bild © bern.com)

Am Werbemarkt gewinnt die Aussenwerbung derzeit Marktanteil um Marktanteil hinzu. Politisch aber weht ihr in den rot-grün dominierten Städten wie Bern oder Genf ein teils heftiger Gegenwind entgegen. Der Verband Aussenwerbung Schweiz wehrt sich.

Jüngstes Beispiel: Mit 30 gegen 29 Stimmen hat der Stadtrat von Bern am Donnerstagabend eine Motion gutgeheissen, die kommerzielle Werbung im Aussenraum verbieten will. 

Der Fall ist nicht nur deshalb besonders brisant, weil die Motion im Stadtparlament dank 11 Enthaltungen eine hauchdünne Mehrheit gefunden hat. Sondern weil sie ein totales Werbeverbot im Aussenraum will.

Die Debatte im Berner Rathaus war denn auch gereizt und dauerte fast 80 Minuten. Dass über das Dossier mit harten Bandagen gekämpft wurde, macht die Grünen-Politikerin Jelena Filipovic – die die Motion mit vier linken Mitstreiterinnen eingereicht hatte – schon im ersten Satz ihres Eingangsvotums klar, als sie von den «Angstzuständen der Wirtschaftsliberalen und ihrem Mantra von der Wirtschaftsfreiheit» sprach und den Argumenten der Gegenseite damit zum Vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen versuchte.

Die Motion will dem öffentlichen Raum aus Klimagründen einen Ad-Blocker verordnen: «Werbung hat zum Ziel, gewisse Brandings in den Köpfen festzusetzen und den Konsum anzukurbeln. Werbung soll Bedürfnisse schaffen, von denen man vorher nicht wusste, dass man sie hat oder nur so befriedigen kann. Ziel und Zweck von Werbung laufen somit den Zielen der Stadt Bern, klimaneutral zu werden, diametral entgegen», begründete die Gruppe ihre Motion.

Grenoble sei ein Beispiel. Die französische Alpenstadt putzte sich 2014 grün und «nicht-kommerziell» heraus. Jegliche Aussenwerbeflächen wurden aus dem öffentlichen Raum verbannt.

Nik Eugster von der FDP warnte vor einem Arbeitsplatzverlust und dem Abwandern der Werbewertschöpfung ins Netz und ins Ausland zu Meta & Co. Auch halte sich das Problem im Rahmen; er persönlich jedenfalls müsse «nicht Slalom laufen, um an den Plakaten vorbeizukommen».

SVP-Haudegen Alexander Feuz sah sogar das Zeitalter eines «Steinzeit-Kommunismus» nahen, da die Motion gegen die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsgarantie verstosse.

Gemässigtere Stimmen wie Milena Daphinoff von der Mitte wiesen auf das städtische Reklamereglement hin, die die Werbung in der Bilderbuch-Altstadt bereits heute stark einschränke.

Nicht nur die rot-grüne Stadtregierung wehrte sich gegen ein Totalverbot. Immerhin droht der Stadtkasse ein Millionenverlust bei den Einnahmen. 

Und doch versuchte Stadtpräsident Alex von Graffenried einen Spagat über die politischen Gräben hinweg: «Zu viel Werbung macht krank, aber keine Werbung ist Nordkorea, das möchte ich auch nicht», sagte der Stapi und plädierte dafür, den «Zweihänder» aus der Hand zu legen, die Motion in ein Postulat umzuwandeln und im Kleinen zu prüfen, wo die bestehende Werberegulierung womöglich punktuell ausgebaut werden könnte.

«Letztlich zielen die Bemühungen eines Verbotes von Aussenwerbung auf ein Konsumverbot ab», sagte Markus Ehrle, Präsident des Verbandes Aussenwerbung Schweiz (AWS), am Freitag gegenüber dem Klein Report. 

Zum Loch, das ein Werbeverbot in die Berner Stadtkasse reissen würde, sagt Ehrle: «Alleine die Stadt Bern erhält mit Konzessionseinnahmen von Werbetreibenden für Werbung im öffentlichen Raum rund 5 Millionen Franken pro Jahr, dies ohne Berücksichtigung der Abgaben im öffentlichen Verkehr (BernMobil), welche sich in ähnlichen Dimensionen bewegen. Dazu kommen noch weitere Steuereinahmen von privaten Grundeigentümern und den Aussenwerbeanbietern.»

Ehrle hält es für naiv zu glauben, dass bei einem Verbot von Plakaten die Firmen aufhören würden zu verkaufen und zu kommunizieren. Leidtragende wären zudem vor allem die lokalen KMU. Diese würden 63 Prozent des Kundenstamms von Aussenwerbung ausmachen.

Und noch ein Argument führt der Verbandspräsident gegenüber dem Klein Report ins Feld: die Demokratie.

«Gerade für die politische Werbung ist das Plakat zentral. Sie soll nämlich im öffentlichen Raum stattfinden und sich nicht in geschlossenen Echokammern verstecken.» 

Der Grossteil der Werbegelder der Parteien fliesse heute in Plakatwerbung. 2022 waren es 90 Prozent bei der GLP und den Grünen, 80 Prozent bei der FDP, 60 Prozent bei der Mitte.

An den städtischen Werberegulierungen wird in letzter Zeit viel herumgeschraubt. Im letzten Juni nahm die Stimmbevölkerung von Biel eine Zweisprachigkeits-Pflicht für Werbeplakate ins Reklamereglement auf.

Und in Genf wurde im letzten März ein Werbeverbot im öffentlichen Raum mit 51,9 Prozent Nein-Stimmen nur knapp abgelehnt.