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Samstag
22.08.2009

«Das Bezirksgericht Zürich hat Chefredaktor Ueli Haldimann und weitere SF-Mitarbeitende im Prozess um die versteckte Kamera vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen. Verurteilt wurden sie jedoch wegen mehrfachen Abhörens und Aufnehmens fremder Gespräche.» So beginnt das Schweizer Fernsehen (SF) eine Mitteilung zum schriftlichen Urteil um die versteckte Kamera, die ein Team der Sendung «Kassensturz» für eine TV-Sendung um den Schönheitschirurgen Meyer-Fürst gebraucht hatte, der unter anderem über Gebühr an den perfekten Brüsten einer Schönheitskönigin rumlaborierte, die der «Kassensturz» als Testperson vorschickte. Das Konsumentenmagazin hatte 2006 und 2007 über die häufig mangelhaften Risikoabklärungen von Schönheitschirurgen vor Schönheitsoperationen berichtet.

Bei der Schweizerischen Depeschenagentur begann der Text vom Freitagabend so: «SF-Chefredaktor Ueli Haldimann und vier Mitarbeitende sind vom Bezirksgericht Zürich des mehrfachen Abhörens und Aufnehmens fremder Gespräche schuldig gesprochen worden. Zu Freisprüchen kam es dagegen im Anklagepunkt Hausfriedensbruch.»

Ein klassischer Fall von: Das Glas ist halb voll, das Glas ist halb leer. Im zweiten und dritten Absatz dreht sich in der SDA-Mitteilung dann alles nur noch um mögliche Geldstrafen, die das Schweizer Fernsehen zahlen müsste, falls das Urteil nicht an das Zürcher Obergericht weitergezogen wird. Erst im fünften Abschnitt wird das eigentliche Thema kurz angeschnitten: «Die Autoren wollten zeigen, dass vor Schönheitsoperationen die Risikoaufklärung teilweise mangelhaft sei. Zwei Schönheitschirurgen und eine Praxisassistentin erstatteten Anzeige.»

Danach folgen weitere drei Absätze, in denen erst Staatsanwalt Lukas Wehrli erwähnt wird, der «den Angeklagten mehrfaches Abhören und Aufnehmen fremder Gespräche» vorgeworfen hat - «hier kam das Gericht nun zu Schuldsprüchen», so die SDA. «Zudem umfasste die Anklage mehrfache Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs der Geschädigten sowie Hausfriedensbruch.»

Nach der Namensnennung der Beteiligten geht es weiter, dass die Geschädigten die SF-Mitarbeitenden «des `heimtückischen Vorgehens` bezichtigt» haben und die Aufnahmen «reisserisch und boulevardesk» gewesen seien. Sie hätten einzig der Unterhaltung gedient, nicht der Information.

Erst im neunten Absatz wird SF-Chefredaktor Ueli Haldimanns Position erstmals erwähnt, der geltend gemacht habe, «in gewissen Fällen seien authentische Resultate ohne versteckte Kamera einfach nicht zu erhalten. Ob der Einsatz einer versteckten Kamera gerechtfertigt sei, müsse in jedem Fall genau abgewogen werden - es sei die `Ultima Ratio` des Recherchierjournalismus.»

In der Mitteilung des Schweizer Fernsehens wird die Stellungnahme von Haldimann, der «den Einsatz der versteckten Kamera bei Peter Meyer-Fürst genehmigt hat», im zweitletzten Abschnitt publiziert. SF schreibt: «Bei diesem Entscheid stützte er sich auf ein Urteil des Bezirksgerichtes Dielsdorf vom November 2006: Damals hatte das Gericht in einem anderen Fall den Einsatz der versteckten Kamera zugelassen, weil es das öffentliche Interesse an der Publikation des Sachverhaltes bejaht hatte. Dieser Entscheid des Bezirksgerichtes Dielsdorf wurde nach den Dreharbeiten im Fall Meyer-Fürst vom Zürcher Obergericht in eine Verurteilung umgewandelt und vom Bundesgericht teilweise bestätigt.»

Dieses Urteil habe die SRG SSR idée suisse an den Europäischen Menschenrechtshof in Strassburg weitergezogen. Der Entscheid stehe noch aus.

«Auch im vorliegenden Fall wird das Schweizer Fernsehen das Urteil genau prüfen und allenfalls an das Zürcher Obergericht weiterziehen. Das Schweizer Fernsehen setzte in der Vergangenheit die versteckte Kamera nur sehr restriktiv ein. Voraussetzung war, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung des Sachverhalts die versteckten Aufnahmen rechtfertigt», schreibt der Sender. Im konkreten Fall habe der «Kassensturz» eine öffentliche Diskussion über die Beratungspraktiken in der Schönheitschirurgie ausgelöst und damit zur Meinungsbildung in der Bevölkerung beigetragen.