«Für den Genuss von Felix Krull ist keine Gelehrsamkeit nötig.(...) Dieser atomisch kleine Geistesblitz hat mich für einen Moment dazu verführt, das Buch sogar meiner Lebensgefährtin zu empfehlen.»
So schrieb Phil Graham seiner Schwiegermutter über seine Ehefrau. Diese war niemand anderes als Katharine Graham, deren faszinierende Autobiographie «Die Verlegerin» nun von Steven Spielberg verfilmt wurde. Die Klein-Report-Kolumnistin Regula Stämpfli über den Film und die verpassten Chancen.
Steven Spielbergs Filme navigieren leider oft nahe an «History-Porn»: So war die Parallelmontage von Terror und Sex in «München» grotesk frauenverachtend und geschmacklos. Immerhin gelingt ihm bei seinem neuen Film «Die Verlegerin» ein gutes Erzählstück zu den «Pentagon Papers». Weniger reüssiert er – wen wundert`s – beim Porträt der faszinierenden Katharine Graham. Selbst Meryl Streep vermag die Versäumnisse des guten, linken Mannes Spielberg nicht wettzumachen: Spielberg liegen grosse, starke und sich zur Unabhängigkeit entwickelnde Frauen nicht.
«Die Verlegerin» ist trotzdem ein packender Film, vor allem für News-Junkies: Die opulente Fotografie treibt jedem die Druckerschwärze in die Nüstern. Die Vierte Gewalt ist endlich wieder da! «Die Verlegerin» zeigt auch, dass unabhängiger und mutiger Journalismus ohne starken Verlagsrückhalt wenig Chancen hat. Es sei denn, die JournalistInnen selber wiesen Mut, Intelligenz und Autonomie auf – sehr selten in einem Beruf, der so stark von Ego, Eitelkeit und Eifersucht geprägt ist.
Katharine Grahams Grösse wird der Film in keiner Weise gerecht. Kein Wunder, erscheint da ihr Entscheid, die «Pentagon Papers» dennoch zu drucken – trotz der Drohung, im Gefängnis zu landen und ihr gesamtes Vermögen zu riskieren – sehr unvermittelt.
Der Film verpatzt auch eine der wichtigsten Szenen in ihrer Autobiographie. Lange war es üblich, dass sich die Ehefrauen nach dem gemeinsamen Dinner zurückziehen mussten, um den Männern Raum zu geben, die Geschäfte zu besprechen. In ihrer Autobiographie schreibt Katharine Graham: «Something snapped» (dann hat es «klick» gemacht). Nie mehr sollte dies in ihrem Haus geschehen. Und nicht wenig später sollte ganz Washington mit dem Brauch, Frauen wie Kinder zu behandeln, aufhören.
Fazit: «Die Verlegerin» ist ein Must-See. Vor allem, weil man sich nach dem Film an die Enthüllungen von Edward Snowden und die Versäumnisse des damaligen Präsidenten Barack Obama erinnert. Die Verbindung von Nixon zu Trump passt selbstverständlich, greift aber viel zu kurz. Denn es bleibt die Frage, weshalb heutzutage Enthüllungen wie die «Panama Papers», die «Diesel-Affäre» oder in der Schweiz die Post-Korruption, die Nachfragen beim EDA betreffend 20 Millionen an Oxfam (wurden die öffentlich ausgeschrieben?), Abschiedsparties auf Staatskosten, hoch bezahlte Staatsaufträge an Journalisten et cetera keine politischen Konsequenzen mehr zeitigen.
Diese Fragen bleiben nach dem Filmbesuch dringender denn je.