Ihre Mutter war Krankenschwester, der Vater Angestellter in einem chinesischen Stahlwerk. Die Tochter Chloé Zhao hat am Sonntag in Hollywood den Oscar für die beste Regie gewonnen. Damit ist sie erst die zweite Frau der Filmgeschichte, welche diese Auszeichnung entgegennehmen durfte.
Eine Story, wie sie die chinesische Propaganda nicht besser serviert bekommen könnte. Tatsächlich jubeln die Filmfans in China. Doch die staatlichen Medien schweigen.
Hintergrund für das Ignorieren soll ein Interview sein, das Chloé Zhao vor Jahren einem Filmmagazin gegeben hatte. In diesem Interview beschrieb sie ihr Heimatland China als einen Ort, «an dem überall gelogen» werde. Vieles, was sie als junger Mensch in China gelernt habe, sei nicht wahr gewesen.
Erst bei ihren Ausbildungen im Westen habe sie gelernt, was wirklich wahr ist.
Das Aufsehen mit dem Erfolg in diesem Westen hat nun das vergilbte Interview noch einmal in die Amtsstuben der Zensoren gespült. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua hat umgehend ältere Online-Artikel über die Regisseurin gelöscht. Auch Zhaos Gewinnerfilm «Nomadland» findet in China nicht mehr statt: In Kinos ist er nicht zu sehen, Berichte und Besprechungen des Films sind verschwunden.
Dabei hat alles so vielversprechend angefangen. In Venedig gewann «Nomadland» bereits den Goldenen Löwen, in Toronto 2020 den Publikumspreis. Beim Golden Globe im März wurde Chloé Zhao genau wie bei den Oscars die zweite Frau in der langen Geschichte der Golden Globes, welche als beste Regisseurin das Abonnement der Männer durchbrechen konnte.
Dieser Erfolg ist in China noch ausgiebig gefeiert worden. Offenbar hatte da noch niemand Genaueres über die Vergangenheit von Chloé Zhao recherchiert.
Ihr Filmhandwerk hat die Chinesin in den USA gelernt. Nach Politikwissenschaft in Massachusetts studierte sie Filmproduktion an der New Yorker Tisch School of the Arts. Ihr Regiedebüt «Songs My Brothers Taught Me» wurde 2015 beim Sundance Film Festival und danach bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt. Dort durfte sie auch ihren zweiten Film «The Rider», einen modernen Western, in der Quinzaine des Réalisateurs präsentieren.
«Nomadland» hat nun in Los Angeles nicht nur einen Oscar für die beste Regie, sondern auch als bester Film und mit Frances McDormand für die beste Hauptdarstellerin gewonnen. Der Low-Budget-Film ist ein Road-Movie über eine Witwe aus dem US-Bundesstaat Nevada, die nach dem Tod ihres Mannes ihre Heimatstadt verlässt und in einem Kleinbus durch den Westen der USA vagabundiert.