Seit dem «Erfurt-Wahl-Skandal» in Thüringen, als der FDP-Mann Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, kommt die bundesdeutsche Politik nicht zur Ruhe.
Am Montagmittag erklärte die glücklose CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) überraschend ihren Rücktritt. Was die politischen Vorgänge mit Twitter zu tun haben, erklärt die Politologin Regula Stämpfli für den Klein Report.
«Focus Online» vermeldete die Botschaft zuerst, natürlich via Twitter. Schon wieder tritt eine Frau einer deutschen Volkspartei nach einem Plattform-Wahlspektakel abrupt und von allen Ämtern zurück. Nach Andrea Nahles bei der SPD ist nun die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer an der Reihe.
Während sich Christian Lindner nach dem Debakel als Chef der FDP weiter zelebriert, nimmt die CDU-Frau alle Verantwortung auf sich. Twitter wurde AKK schon bei ihrem Amtsantritt zum Verhängnis: Ihr Karneval-Spott über Gender-Toiletten verkehrte sich ins Gegenteil. Aus dem «Witz» wurde Hass, befeuert durch die 280 Zeichen langen Gerechtigkeits- und Empörungsstürme auf Twitter.
Das Hauen und Stechen rund um die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten in Thüringen, wo es keine Mehrheit ohne Koalition entweder mit der Linken oder der AfD geben konnte, wurde auch vornehmlich auf Twitter, auf der Strasse und nicht in den Parteizentralen verhandelt. Wie kein anderes Medium vermag die digitale Plattform Zeichen und Wirklichkeit zu vernetzen: Auch die #GiletJaunes kommunizieren via Twitter.
Die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, griff auf Afrika-Dienstreise zum Telefon, schrieb ein SMS, das kurz danach in anderer Form auf Twitter zu lesen war. Um 10.37 Uhr, einen Tag nach der Wahl von Kemmerich, twitterte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, dass die Bundeskanzlerin ihm nahegelegt hätte, «sein Amt zur Verfügung zu stellen».
Markus Söder war einer der ersten, der AKK nach ihrem Rücktritt für ihre Arbeit dankte und dabei gleichzeitig verkündete, wie wichtig jetzt die «inhaltliche und personelle Aufstellung» innerhalb der CDU seien. Natürlich via Twitter.
Die soziale Plattform ist das Kommunikationsportal mit exklusiver Monopolstellung: Twitter funktioniert als Pressestelle des Kanzleramts, deutsche Depeschenagentur, Oppositionsorgan und Propagandainstrument in einem.
Selbst die klassischen Medien bemühen sich schon längst nicht mehr um Einordnung, sondern gestalten Twitter-Botschaften im Selfie-Takt. Das Foto von Thomas Kemmerich und Björn Höcke händeschüttelnd wird schon jetzt als ikonografischer Trend vermerkt.
Was bleibt? Richtig. Twitter. Das Medium, das politische Debatte und demokratisches Handeln auf Hyperlink, Hashtag und 280 Zeichen zwingt. Tröstlich am Debakel von Erfurt ist, dass die Demokratie lebendiger ist als sich dies die «Politapparatschiks» oftmals denken. Nicht zuletzt dank Twitter.