Der 24-jährige Schotte Stuart MacLennan twittert für sein Leben gern. Seine Lieblingsbeschäftigung auf Twitter: Das Beschimpfen von Politikern. So weit, so gut, schliesslich tun das andere auch. Aber MacLennan ist selber Politiker und wollte für die Labour ins Parlament einziehen. Jetzt haben laut Spiegel-Online einige seiner 140-Zeichen-News den Traum zerstört. Die Beschimpfungen wurden bekannt - MacLennan muss auf seine Unterhaus-Kandidatur verzichten.
Für politische Beobachter in Grossbritannien ist klar: Die MacLennan-Episode unterstreicht die wachsende Rolle von Twitter und Co. in der Politik. Spätestens seit Barack Obamas spektakulärem Wahlsieg sind E-Mail, Blogs, YouTube, Facebook oder Twitter aus Wahlkämpfen nicht mehr wegzudenken. Sie gehören dazu wie herkömmliche Wahlplakate.
Politiker in aller Welt versuchen, den Internetcoup des US-Präsidenten zu kopieren. Wer heutzutage nur stümperhaft mit digitaler Technologie umgehen kann, gilt als nicht regierungswürdig.
Im britischen Wahlkampf wollen vor allem die konservativen Tories durch massive Online-Präsenz ihr Image entstauben. Besonders stolz sind sie auf ihre Datenbank mit 500`000 E-Mail-Adressen. Die grösste aller Parteien, behaupten sie. Ihre gut gefüllte Wahlkampfkasse plünderten sie, um 1500 Suchworte bei Google zu kaufen. Das Ergebnis: Wer etwa nach Gordon Brown sucht, erhält unter den ersten Treffern eine Werbeanzeige der Konservativen (Es ist Zeit für den Wechsel), die zu den Wahlkampf-Videos des konservativen Herausforderers David Cameron umleitet.
Auch Labour ist auf YouTube vertreten: Neben den Kanälen der Partei und der Downing Street Nummer Zehn gibt es seit vergangener Woche auch den Tony Blair for Labour-Kanal. Der frühere Premier macht Wahlkampf für seinen Nachfolger Brown.
Von der gefeierten Obama-Strategie, das Netz zur Organisierung der Aktivisten zu nutzen, sind die britischen Parteien jedoch weit entfernt. Wie in Deutschland und der Schweiz werden die digitalen Medien vor allem als weiterer Kanal genutzt, um Informationen aus der Parteizentrale zu verbreiten. Es gab zwar einzelne Versuche der Interaktivität, so bat Labour online um Beiträge für das Wahlprogramm. Auch twittern und bloggen Dutzende Politiker, was den offiziellen Parteidiskurs etwas auflockert. Insgesamt sind die Parteien aber recht einfallslos.
Montag
12.04.2010



