Wer sich über die Weihnachtstage ein paar Tage Ruhe gegönnt hat, wird nun beim Öffnen seines Twitter-Accounts erschlagen: «Meine Oma ist `ne alte Umweltsau» schreit älteren Damen und Herren überall entgegen. Und offenbar nicht nur diesen.
Der Satiriker Jan Böhmermann hat sich schon geäussert, der Westdeutsche Rundfunk (WDR) musste sich entschuldigen, Neonazis marschierten beim WDR-Rundfunkhaus auf, am Appellhofplatz in Köln kam es zu verbalen Provokationen von Rechten, Linken und Oma-Aufgebrachten.
Die sozialen Medien werden ihrem Ruf der Flugblätter vor dem Dreissigjährigen Krieg gerecht: Die Twitter-Aufregung über ein Kinderlied hat tatsächlich das Potenzial, Strassenschlachten zu initiieren.
Zur Vorgeschichte: Der WDR Kinderchor singt den in Deutschland immer noch beliebten Gassenhauer «Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad». Der Song stammt wohl aus den 1930er-Jahren und erzählt von einer «ganz patenten Frau», die Oma eben, die sogar im hohlen Zahn ein Radio trägt.
Die Version 2019 des WDR Kinderchors ist nun so formuliert, dass die im Hühnerstall Motorrad fahrende Oma in flottem Ton als «alte Umweltsau» herhalten muss.
Was wohl als singender Kommentar zu Greta Thunberg gedacht war, entpuppte sich als Image-Desaster für den WDR. Viele Hörerinnen und Hörer fanden die Neuversion des «Oma-Songs» alles andere als lustig, worauf der WDR das Video vom Netz nahm.
Darauf meldeten sich wichtige Medienpersönlichkeiten, unter anderem Jan Böhmermann, zu Wort, und die unglaublich heftige Kontroverse rund um das «Umweltsau»-Lied nahm ihren Twitter-Lauf. Am selben Tag marschierten schliesslich zum Teil ganz normale Bürger, aber auch Neonazis und Rechtsextreme, beim WDR-Studio mit Plakaten wie «Unsere Oma ist keine Umweltsau» auf.
Am Appellhofplatz in Köln kam es zu Provokationen zwischen Rechten und Oma-Song-Verteidigern.
2019 ist also auch im Schlussspurt ein irres Shitstorm- und Gegenshitstorm-Jahr mit spektakulären Empörungswellen.