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Mittwoch
28.11.2012

«Der allgütige Herr wollte nur verhindern», schrieb ein Zürcher «Freidenker» nach dem Unglück eines belgischen Reisecars im Wallis per Twitter, «dass die armen Schüler belgischen Kinderschändern in die Hände fallen.» Aufgenommen wurde dieser Tweet Wochen später in einem Artikel im «Tages-Anzeiger», in dem Dario Venutti über die Tücken des Mikrobloggings berichtete. Am Beispiel des provokanten Tweets wollte Venutti aufzuzeigen, dass ein Tabubruch nicht immer ein öffentliches Echo auslöst.

Damit aber begann die Aufregung. Der zitierte «Freidenker» beschwerte sich beim Presserat über den «Tages-Anzeiger»-Artikel vom 29. Juni, denn Venutti habe den Kommentar «auf verleumderische Art aus dem Zusammenhang gerissen».

Der Tweet sei keine Reaktion auf das tragische Busunglück gewesen, so der Beschwedeführer, «sondern auf die Aussage des Pfarrers von Siders, man müsse sich nach einer solchen Katastrophe der Präsenz Gottes bewusst sein». Das enstprechende Interview des Pfarrers mit dem «Tages-Anzeiger» sei im Tweet verlinkt gewesen - für die Twitter-Leserschaft sei der Bezug zur «instrumentalisierenden Aussage des Pfarrers» deshalb eindeutig gewesen. Zwar sei der Fehler in der Onlineausgabe korrigiert worden, doch habe die Tageszeitung weder eine Berichtigung in der Printausgabe veröffentlicht noch die Archivausgabe angepasst.

Neben der Beschwerde beim Presserat hat der Beschwerdeführer auch eine Strafanzeige wegen Verleumdung gegen den Autor eingericht. Aus diesem Grund tritt der Presserat nun nicht auf die Beschwerde ein. Dies, weil es in beiden Verfahren inhaltlich «um die im Wesentlichen gleichen Vorwürfe» ginge, es sei daher «nicht sinnvoll, das Presseratsverfahren zusätzlich zum Strafverfahren durchzuführen», heisst es in der Stellungnahme vom Dienstag.