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Freitag
11.10.2002

Amerikas berühmteste Politiker sind nicht unbedingt die, die im Weissen Haus sitzen. Bekannter - und populärer - sind in den 90er Jahren die Bildschirm-Präsidenten geworden, wie zum Beispiel Martin Sheen, der in der TV-Serie «The West Wing» jede Woche Millionen von Zuschauern vor die Glotze holt, und mit seiner warmherzigen Souveränität so gut wie jede Entscheidung in den Herzen der Zuschauer durchdrücken kann. Auch Harrison Ford wird spätestens seit dem Kinofilm «Air Force One» gern als Retter der Nation gesehen - so gern, dass eine der dienstleistenden Helferinnen bei seinem Besuch am Ground Zero kurz nach dem 11. September ihn vorwurfsvoll fragte, warum er nichts gegen den Anschlag unternommen habe.

Wer den Präsidenten schon mal von seiner Wohnzimmer-Couch aus in die Arme geschlossen hat, der wird ihn im Ernstfall auch wählen - so das Kalkül eines Produzenten-Duos, das jetzt ein ganz neues Reality-Show-Format mit dem Titel «The American Candidate» entworfen hat: Demnach soll George W. Bush, so berichtet die deutsche Tageszeitung «Die Welt» bei den nächsten Wahlen im Jahr 2004 neben einem demokratischen Kandidaten noch ein zweiter Rivale die Stirn bieten. Ausgesucht wird der vom Fernsehpublikum des Murdoch-Kabelsenders FX in einem nationalen TV-Wettbewerb mit abschliessendem Mehrheitsvotum. Nach dem Willen der Macher sollen sich bei FX im Laufe des nächsten Jahres hoffnungsvolle Präsidentschaftskandidaten mit Lebenslauf und einem Video bewerben, in denen sie erklären, warum sie einen guten Präsidenten abgeben würden. Mit eingereicht werden soll eine Liste mit 50 Unterschriften von US-Bürgern, die die Kandidatur unterstützen.

Ausgetüftelt wurde die Idee von R.J. Cutler, der den Dokumentarfilm «The War Room» über die erste Präsidentschaftskampagne Bill Clintons gemacht hat und sein neues Projekt mit Hilfe von «Austin Powers»-Regisseur Jay Roach durchziehen will. Derweilen versucht FX-Unterhaltungschef Kevin Reilly den Eindruck zu erwecken, dass man dem eingefahrenen Zwei-Parteien-System auf den Leib rücken wolle, und das Ganze vor allem dem Kleinen Mann zu Gute kommen werde. «Wir hoffen einen geeigneten Bürgervertreter zu finden, dem die entsprechende Machtstruktur fehlt, und vielleicht auch einen Klempner aus Detroit, der kein Blatt vor den Mund nimmt», sagt er.