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Donnerstag
20.07.2017

Medien / Publizistik

Seltenes Bild: Furtwängler erklärt ihre Studie

Seltenes Bild: Furtwängler erklärt ihre Studie

Sogar Figuren im Kinderfernsehen sind überwiegend männlich, während Frauen für Film und Fernsehen nur interessant sind, solange sie jung sind. Im Auftrag von Frau Dr. Maria Furtwängler untersuchten Prof. Dr. Elizabeth Prommer und Dr. Christine Linke unter der Mitarbeit vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland.

Die Befunde der Studie zur audiovisuellen Diversität, die am 12. Juli der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, überraschen kaum, sind aber trotzdem alarmierend. Für den Klein Report hat Regula Stämpfli, selber Autorin ähnlicher Studien, die wichtigsten Erkenntnisse unter die Lupe genommen und prägnant zusammengefasst.

Bevor die erschreckenden Zahlen präsentiert werden, eine Vorbemerkung aus eigenen wissenschaftlichen Publikationen: «Ein Klischee finden alle noch doof. 100 Klischees sind dann schon beeindruckend. 1 000 Klischees werden Wissenschaft und 10 000 Klischees bilden in Algorithmen gefasste sexistische Codes, die die Welt grösstenteils für jetzt und alle Zukunft gestalten.»

Es geht bei allen Gleichstellungsfragen nicht um die Biologie, sondern um die mit der Biologie verknüpfte Machtverteilung, Politik und wirtschaftliche Unterdrückung. Es geht auch nicht darum, dass Frauen Opfer und Männer Täter sind, sondern darum, dass sich Diskriminierung in Kopf, in Medien und im Portemonnaie erschreckend fortsetzt und trotz allem Geschwafel von Gleichberechtigung unendlich viele Rückschritte festzustellen sind.

Besonders erschreckend ist die Studie punkto Alter: Mädchen wird von Kindsbeinen an eingetrichtert, dass Männer die Welt erklären. Jungs werden von Kindsbeinen an darauf getrimmt, alles zu können und überall dabei zu sein – denn ab 40 dürfen sie sich nur noch mit Frauen unter 40 beschäftigen, während sie ihre Zeitgenossinnen effektiv und effizient aus Job, Finanzen, Politik und Wissenschaft drängen.

Hauptakteure in Film und Fernsehen sind selbstverständlich Männer. Der Anteil der Protagonistinnen ist erschreckend gering (33%). Sogar im Kinderfernsehen dominieren die männlichen Protagonisten mit 72 Prozent. Wohlverstanden: Die Studie redet hier von Einhörnern und anderen Fantasiefiguren oder Plüschtieren. Im Kinderfernsehen erklären durchwegs die Männer den Kindern die Welt. Auf eine Fantasiefigur mit weiblicher Stimme kommen 9 (!) Fantasiefiguren mit männlicher Stimme.

Frauen kommen in Film und Fernsehen nicht als eigenständige Subjekte, sondern als Beziehungspersonen und Partnerinnen vor. Deshalb sind Frauen einzig in Telenovelas und Daily Soaps gegenüber Männern nicht untervertreten. Hingegen kommt ein Drittel der Fernsehvollprogramme sogar ganz ohne weibliche Protagonistinnen aus – und nur 15 % ohne männliche Darsteller.

Männer jeden Alters füllen Film und Fernsehen, Frauen erscheinen nur jung. Ab 50 kommt höchstens eine Frau auf drei Männer. Krass ist die Ungleichverteilung bei den Experten: Die sind zu 79 Prozent männlich - es sei denn, es handelt sich um ein Frauen- und Gesundheitsthema.

«Mansplaining» ist also nicht nur ein Hashtag, sondern zeigt sich in allen Bereichen. Hier nun in den audiovisuellen Medien in Deutschland: Männer erklären die Welt. Dass sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten dies nicht mehr leisten können und dies schon längst nicht mehr ihrem demokratischen Gleichstellungsauftrag entspricht, erklärt sich von selbst.

Erfrischend an der Studie ist die kurze, knappe und klare Zusammenfassung in vier Punkten, die es verdienen, hier zitiert zu werden: «1. Frauen sind deutlich unterrepräsentiert. 2. Altersgap: Wenn Frauen vorkommen, dann als junge Frauen. Ab 30 Jahren kommen Frauen sukzessive seltener vor. 3. Männer erklären die Welt: Sie sind die Experten, Gameshow-Moderatoren, Journalisten und Sprecher. 4. The Future is equal? Nicht, wenn es nach dem Kinderfernsehen geht.»