Das Fernsehen hat sich zum «Leit- und Leid-Medium» des Freizeitverhaltens entwickelt. «So werden durch das TV sämtliche Aktivitäten der Menschen nach Feierabend strukturiert und festgelegt», erklärte der Hamburger Forscher Horst Opaschowski in einem Gespräch mit der deutschen Presseagentur dpa. Zeitweilig hätten Generationen von Fernsehzuschauern gar eine Art Beamtenverhältnis zu bestimmten Sendungen entwickelt, etwa zur ARD- «Tagesschau», zum ZDF-«Sportstudio» oder zu SAT.1-«ran». «Andererseits hat die Gewöhnung an diesen TV-Konsum dazu geführt, dass eine Lebenskunst verkümmert: Die Menschen verlernen, sich mit sich selbst zu beschäftigen.»
Die Sogwirkung des Fernsehens hat dem Wissenschaftler zufolge dazu geführt, dass viele Menschen ohne dieses Medium Entzugserscheinungen bekommen. Das TV verdränge Konflikte und könne auch zu einer Sprachlosigkeit der Menschen führen. «Es gibt Untersuchungen, die nachweisen, dass wichtige Dinge nicht mehr wie früher am Feierabend besprochen werden», meinte Opaschowski.
Mit dem erfolgreichen Einzug der TV-Geräte in alle Haushalte sei auch der «Zeitwohlstand» verloren gegangen, meinte Opaschowski. «Früher gab es ja den Grundsatz: eine Sache zu einer Zeit. Daraus ist heute die Devise geworden: mehr tun in gleicher Zeit.» Ebenso wie das Fernsehen zum «Zeitfüller» geworden sei, habe es sich auch zum «Zeitkiller» entwickelt. «Während der Fernseher läuft, schauen immer weniger Menschen hin und machen nebenbei andere Sachen. Das Gerät ist eingeschaltet, aber die innere Abschaltquote wird immer grösser.»
Mittwoch
25.12.2002