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Sonntag
14.05.2017

Medien / Publizistik

Die provokative Titel-Story, die im Abstimmungskampf vor dem umstrittenen Verfassungsreferendum sogar Recep Tayyip Erdogan vor laufender Kamera zum «Blick» greifen liess, ist aus Sicht des Schweizerischen Presserates einwandfrei: Der Journalistenkodex verbiete es Redaktionen nicht, politische Aufrufe zu verfassen. 

Unter dem Lead «Jetzt mischen wir uns ein» publizierten Mitte März der «Blick» und sein Gratisblatt «Blick am Abend» einen Artikel, der die Türken in der Schweiz dazu aufruft, am 16. April 2017 «Nein» zur Verfassungsänderung in ihrem Heimatland zu stimmen. Der Titel «Stimmt Nein zu Erdogans Diktatur!» wie auch die Story waren in Türkisch und Deutsch verfasst. 

«Weder neutral noch objektiv» sei hier berichtet worden, beschwerte sich kurze Zeit später ein Leser beim Presserat. Er monierte, dass «ausdrücklich Partei ergriffen und eine demokratisch gewählte Regierung und der Staatspräsident als Diktator bezeichnet» worden sei. 

Es werde suggeriert, dass alle normalen Menschen, die für einen Rechtsstaat sind und die demokratischen Werte lieben, «Nein» stimmen müssten und Andersdenkende am besten die Schweiz verlassen sollten.

Der berufsethische Kodex, auf den sich der Presserat stützt, enthält keine Bestimmungen, die es einer Redaktion verbieten würden, zu politischen Fragen Stellung zu beziehen. «Dies gilt auch für politische Ereignisse im Ausland», präzisiert das Selbstkontrollorgan. Die Grenzen politischer Verlautbarungen der Redaktionen lägen nicht im Branchenkodex, sondern bei den staatlichen Gesetzen.

«Auch lässt sich aus der `Erklärung` weder eine ausdrückliche Pflicht zur Ausgewogenheit noch eine solche zu objektiver Berichterstattung ableiten», schrieb der Presserat in seiner am Freitag veröffentlichten Stellungnahme und retournierte die Beschwerde als «unbegründet» an ihren Absender.