Content:

Donnerstag
10.11.2016

Medien / Publizistik

«Alle kritischen Geister in der Türkei sollen wissen, dass die Bundesregierung ihnen solidarisch beisteht», signalisierte am Dienstag der deutsche Staatsminister Michael Roth. Am Mittwoch schaltete sich Reporter ohne Grenzen (ROG) in die Debatte ein: Verfolgte Journalisten sollen unbürokratisch und ohne Asylverfahren aufgenommen werden.

Deutschland sei ein «weltoffenes Land» und stehe «allen politisch Verfolgten im Grundsatz offen», so der Staatsminister in dem Interview gegenüber der «Welt». «Sie können in Deutschland Asyl beantragen. Das gilt dezidiert nicht nur für Journalisten. Dafür gibt es unser Recht auf Asyl.»

Das Asylrecht sei zwar wichtig, gehe aber «weitgehend an den Bedürfnissen der betroffenen Journalisten vorbei», schreibt ROG in ihrer Replik. Die meisten der türkischen Medienschaffenden, die mit der Bitte um Zuflucht bei ROG anklopften, «wollen weder politisches Asyl noch dauerhaft im Ausland bleiben.» 

Ihnen gehe es um vorübergehende Zuflucht, bis sich die politische Situation in der Türkei beruhigt hat. Und vor allem darum, ihre journalistische Arbeit fortzusetzen, unterstreicht ROG. Eingespannt in ein Asylverfahren von ungewisser Dauer könnten sie kaum eine Arbeit aufnehmen und wären in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.

Daher schlägt die Journalistenorganisation, die sich für ihre verfolgten Kollegen in der Türkei engagiert, eine «Aufenthaltsgenehmigung als freier Journalist» vor. Dieses Papier soll automatisch mit einer Arbeitsgenehmigung verbunden sein, so der Vorschlag.

Jetzt sei schnelles Handeln entscheidend, da die türkischen Behörden zurzeit «fast täglich Journalisten oder deren Angehörige festnehmen, sie mit Verwaltungssanktionen wie Ausreisesperren oder der Annullierung von Reisepässen belegen und in vielen Fällen vor Gericht bringen.»

Den löblichen Worten von Staatsminister Roth steht die kleinliche Praxis der deutschen Behörden gegenüber, mahnt ROG. Oft würden sie den geflohenen Journalisten «zusätzliche Hürden» in den Weg legen. So hat die Organisation zum Beispiel einen Journalisten unterstützt, der ursprünglich mit einem Touristenvisum nach Deutschland gekommen ist. Wegen der Repressionswelle in seiner Heimat braucht er jetzt eine längere Aufenthaltsbewilligung. 

Er muss jetzt in die Türkei zurückreisen und dort bei der deutschen Botschaft eine Bewilligung beantragen. Dies, obwohl ihm in seiner Heimat die Verhaftung wegen seiner journalistischen Arbeit droht. Dabei könnte die Ausländerbehörde die Aufenthaltsgenehmigung auch in Deutschland erteilen.