Das türkische Parlament berät über einen Gesetzesentwurf, der Inhalte von Webseiten unter die Aufsicht der türkischen Behörden stellen könnte. Die geplante Reform des Gesetzes 5651 würde der türkischen Aufsichtsbehörde für Telekommunikation (TIB) ermöglichen, Webseiten ohne richterlichen Beschluss zu sperren.
Bereits heute sind solche Sperrungen aufgrund von «obszönen Inhalten» möglich. Die Reform würde die Befugnis auf Verletzung der Privatsphäre und diskriminierende oder beleidigende Inhalte erweitern.
Wegen der fehlenden richterlichen Kontrolle und der weit gefassten Kriterien könnten die Änderungen zu einer massenhaften Zensur führen, befürchtet die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG).
Die Frist zwischen einem Sperrbeschluss und seiner Umsetzung würde nach Annahme des Gesetzes von 72 auf 24 Stunden reduziert, in Notfällen sogar auf vier Stunden. Einsprüche sollen erst im Nachhinein möglich sein.
Das Gesetz würde auch die Anbieter in die Pflicht nehmen. Wenn diese einer Anordnung zur Löschung von Inhalten nicht sofort folgen, können sie zu einer Strafe von bis zu 100 000 Lira, umgerechnet 40 600 Franken, verurteilt werden.
Die Gesetzesänderung bringe das gesamte türkische Internet unter die direkte Kontrolle der TIB, schreibt ROG weiter. Ermittlungen gegen TIB-Angestellte sollen in Zukunft nämlich nur noch mit Zustimmung des Kommunikationsministers möglich sein.