Mit zugekauften Bildern werben Hospize und Heime für die palliative Pflege von unheilbar kranken Menschen. Eine neue Studie zeigt, wie erschreckend einseitig die Vorstellungen vom Sterben sind, die die Bildagenturen verbreiten.
Eine junge Pflegerin reicht einem weisshaarigen Mann ein Glas Wasser, die beiden lächeln sich an; auf einer Bettdecke hält eine faltenlose Hand eine runzlige Hand mit Altersflecken; eine ältere Frau sitzt zufrieden in einem Rollstuhl vor einem hellen Fenster: Mit solchen oder ähnlichen Bildern sind Broschüren und Webseiten, die über die Versorgung von schwerkranken Menschen informieren, reichlich illustriert.
«Diese Abbildungen stellen meist keine authentischen Situationen dar – sie werden in nachgestellten Szenen mit Fotomodellen produziert und dann von kommerziellen Agenturen wie Shutterstock vertrieben», kritisiert eine am Mittwoch publizierte Studie von Forschenden des Schweizerischen Nationalfonds (SNF).
Agenturfotos seien für Pflegeeinrichtungen eine einfache Methode, um für Werbezwecke attraktive Fotos von hoher Qualität zu erwerben. Aber auch andere Medien wie Zeitungen oder Infowebseiten greifen oft auf zugekaufte Symbolbilder zurück.
Diese künstlich erzeugten Bildwelten «können uns helfen, kulturelle und soziale Aspekte des Sterbens besser zu verstehen», sagt Gaudenz Metzger. Der Sterbeforscher hat gemeinsam mit seiner Kollegin, Tina Braun, solche Stock-Fotos untersucht.
Für ihre Studie durchsuchten die beiden die Datenbanken von vier grossen Bildagenturen mit dem Stichwort «Palliativpflege». Sie analysierten über 600 Stock-Fotos und teilten die dargestellten Motive in verschiedene Kategorien ein.
«Dabei stellten wir fest, dass die Fotos sehr redundant sind und die Bildsprache auf wenige immer wiederkehrende Elemente reduziert ist», sagt Metzger, der an der Zürcher Hochschule der Künste im Rahmen des SNF-Projekts eine ethnografische Studie über schwerkranke, palliativ versorgte Menschen verfasst hat.
Klischees sind beispielsweise Darstellungen von Händehalten oder Umarmungen durch das Pflegepersonal. Die betreuten Menschen haben zudem meist einen friedlichen Gesichtsausdruck und sind in lichtdurchfluteten Räumen untergebracht.
Nach Ansicht der beiden Forschenden repräsentieren diese Szenen den Kern der Philosophie der modernen Hospizbewegung, nämlich «Präsenz und Empathie des Pflegepersonals, Schmerzfreiheit im Sterben und die Vorstellung des Todes als Vervollkommnung und Transzendenz».
Wer solche Bilder betrachtet, soll also wohl den Eindruck bekommen, dass das Lebensende nichts Schlimmes sei.
Positive Thinking ist kein Verbrechen. Und doch hat die rosa Brille eine Schattenseite. «Auf den Fotos werden viele Aspekte des Sterbens komplett ausgeblendet – etwa Trauer, Angst und Schmerzen. Den Gepflegten ist nicht anzusehen, dass sie schwer krank sind und womöglich auch leiden. Auch die für die Versorgung benötigten medizinische Apparaturen und Pflegematerialien fehlen in den Zimmern», schreiben die Forscherinnen und Forscher weiter.
Eine solche einseitige Darstellung könne Vorstellungen wecken, die nimmer erfüllt werden können. Und eine solche Enttäuschung könne dann zu Konflikten bei der palliativen Versorgung führen, etwa wenn das Personal einmal keine Zeit hat oder die Ausstattung der Zimmer weniger heimelig ist, weil da auch Apparate rumblinken, die auf den Klischee-Fotos nie zu sehen waren.
Ebenfalls stossend sei die stereotype Darstellung der Beteiligten: Die Pflegenden sind meist jung, attraktiv und weiblich. Die kranken Menschen sind alt, weiss und gut gekleidet.
Dass auch junge Leute zuweilen sterben oder dass auch ältere Menschen und auch Männer im Pflegeberuf arbeiten, bleibt praktisch unsichtbar.