Katastrophaler Familienstreit in ländlicher Idylle. Am Bezirksgericht Uster ist am Donnerstag ein im Februar 2024 begangenes Tötungsdelikt in der Zürcher Gemeinde Maur verhandelt worden.
Der Täter ist geständig. Auf der Anklagebank sitzen indirekt auch die Medien. Die Redaktion des Klein Reports berichtet, vor Ort im Gerichtssaal war Thomas Renggli.
Am Schluss der rund sechsstündigen Verhandlung wegen des Straftatbestandes der «Vorsätzlichen Tötung» sagte der Täter mit gesenktem Blick: «Ich will mich entschuldigen bei der Lebenspartnerin meines Onkels für den Schmerz und das grenzenlose Leid, das ich verursacht habe. Ich will mich auch bei meiner Tante entschuldigen – und bei meinem Vater und meiner Schwester. Und auch bei meiner Frau und unseren Kindern. Ich schäme mich unendlich fest».
Die Worte spiegeln die ganze Tragik des Falles, der sich im Februar 2024 in der beschaulichen Zürcher Vorortsgemeinde Maur auf einem Bauernhof zugetragen hatte. Ein lange schwelender Erbschafts- und Familienstreit eskalierte an einer Lappalie.
War es der Baustopp, den das Bauamt für das Verlegen einer Strom- und Wasserleitung verhängt hatte? Oder war es eine saloppe Bemerkung des Onkels zu einem Zaun, dessen Demontage er forderte? Heute weiss es niemand mehr so genau.
Was aber Fakt ist: Der Täter, ein 40-järiger fürsorgender Familienvater und Besitzer einer Hunde-Betreuung, agierte mit grösster Brutalität, Skrupellosigkeit und Kaltblütigkeit.
In der Anklageschrift heisst es unter anderem: «Der Beschuldigte schlug sehr heftig mit einem Brennholz von oben auf den Kopf des Opfers, während dieses stand, auf den Knie war oder bereits auf dem Boden lag – insgesamt ca. 25-mal. Wobei auch der Hals getroffen wurde».
Die Schläge führten zu mehreren Quetsch-Riss-Wunden am Kopf sowie zu mehreren Schädelbrüchen sowie zum Bruch des Ringknorpels und des Schildknorpels. Zudem wurde das Hirngewebe zerrissen. Überdies kam es zu Blutungen unter der Spinngewebehaut am linken Stirnlappen und an der rechten Grosshirnhälfte. Diese Hirnverletzungen und Blutungen führten zu einer zentralen Atemlähmung und zum Tod».
Dem Publikum im Gerichtssaal in Uster stockte der Atem – auch den Medienvertretern. Rund 10 Reporter hatten sich akkreditiert. Der «Blick» berichtete via Live-Ticker und mit Video-Interviews.
Unfreiwillig im Zentrum stand aber auch Margrit Sprecher, die als Grande Dame des Schweizer Journalismus bezeichnete 90-jährige Journalistin, die den Prozess in einem anderen Zimmer verfolgte.
Sprecher hatte in der jüngsten Ausgabe der «NZZ am Sonntag» vom 21. September 2025 über den Fall berichtet – und dabei die Tatsachen auf den Kopf gestellt. Unter dem Titel «Tragödie mit Ansage» berichtete sie in einer Reportage episch lang aus der Sicht des Täters und seiner Frau über deren Leben vor dem Unglück. «Der Streit um einen Schweizer Bauernhof dauert zehn Jahre und endet mit einem Toten», lautet die Unterzeile.
Die Reportage ist unter anderem angereichtert mit privaten Fotos, wie den drei Kindern auf einem Trampolin oder die in Boxen gebündelten Briefe des Täters aus dem Gefängnis an seine Frau.
Der geständige Täter wurde zum Opfer seiner Familie, der Lebensumstände und seiner ADHS-Erkrankung gemacht.
Die Opfer, insbesondere der erschlagene Onkel und dessen Schwester, erschienen in ihrem Text dagegen geradezu bösartig und intrigant. Sie hätten den Täter schikaniert – und so die Tat mitprovoziert.
Ausserdem habe der Täter an den Nebenwirkungen des ADS-Medikaments Focalin gelitten und sei unverschuldet in einen Zustand der Aggression und des Kontrollverlusts gestürzt.
Mit dieser Optik mochten sich der Staatsanwalt Daniel Regenass sowie die Vertreter der Privatklägerinnen – der Lebenspartnerin sowie der Schwester des Opfers -, Rechtsanwalt Jürg Bettoni und Rechtsanwalt Markus Oertle, nicht abfinden. Ein Medikament könne nicht töten und man dürfe nicht den Fehler machen, den Täter zum Opfer zu machen.
Dabei rügte auch der Staatsanwalt explizit die Berichterstattung der «NZZ am Sonntag» vier Tage vor Prozessbeginn. Der Verdacht der «versuchten Einflussnahme» wurde mehr als einmal geäussert. Das ging so weit, dass sich der Anwalt der Verteidigung genötigt sah, zu betonen: «Die Motivation für besagten Artikel kam allein von der Autorin – und nicht von der Verteidigung.»
Pikant: Der amtliche Verteidiger Lorenz Baumann von «Weber Schaub & Partner» arbeitete in den 1990-er Jahren als Gerichtsreporter für die «Neue Zürcher Zeitung».
Mittlerweile hat Tom Felber diesen Auftrag übernommen – auch am Donnerstag im Bezirksgericht von Uster. Im gut gefüllten Medienzimmer sagte er mehr als einmal: «Ich arbeite für die «Neue Zürcher Zeitung» - und nicht für die «NZZ am Sonntag»». Es war einer der wenigen Momente, an dem in dieser traurigen Geschichte Anlass zum Schmunzeln bestand.
Das Urteil im Prozess ist für 18.15 Uhr angekündigt. Die Staatsanwaltschaft fordert 16 Jahre Gefängnis wegen vorsätzlicher Tötung.