Noch selten wurde ein Schweizer «Tatort» mit so viel Vorschusslorbeeren bedacht wie der «Schmutzige Donnerstag». Kein Wunder, war doch Dani Levy, der kongeniale Basler Regisseur («Meschugge», «Alles auf Zucker»), der seit Jahrzehnten in Deutschland lebt und arbeitet, für die Regie zuständig. Und was seine Arbeit anbelangt, wurde man nicht enttäuscht.
Der «Schmutzige Donnerstag» legte mit viel Tempo los, und wer nicht wirklich bei der Sache war, verpasste wichtige Hinweise schon zu Beginn des Krimis. Dass es auch bei der Luzerner Fasnacht wie bei allen anderen Festivitäten vor allem ums «Poppen» und «Saufen» geht, wurde schon nach wenigen Minuten klar und machte das mitunter seltsam anmutende närrische Treiben etwas menschlicher.
Der verklemmte Vorsteher des Luzerner Bauausschusses und Mitglied der «ehrenwerten» Zunft «Wächter am Pilatus», der mit 45 Jahren noch immer bei seiner Mutter wohnt, liegt nach einer Nacht mit einer Edelprostituierten auf dem Pflaster, mitten im Konfettiregen. Niedergestreckt von einem anderen Narren, der nach der Tat unbemerkt im Getümmel der übrigen Närrischen untertauchen konnte. Ein zünftiger Mord also.
Kommissar Reto Flückiger (Stefan Gubser), der zusammen mit seiner Kollegin Liz Ritschard (Delia Mayer) den Mord am Zünfter aufklären muss, ist kein «Fasnächtler», was ihn richtig sympathisch macht. Weil ihn das hormonelle Treiben vor seinem Fenster um den Schlaf bringt, flüchtet er auf sein Boot.
Auch seine Kollegin, die etwas vom Leben gezeichnete Liz Ritschard, ist geflüchtet - in die Arme einer knackigen Lesbe, die auftaucht wie Kai aus der Kiste und auch wieder in diese verschwindet, als das Handy von Ritschard läutet.
Nach dem abgebrochenen Liebesspiel der beiden Damen beginnt eine unterhaltsames Räuber-und-Gendarm-Spiel, bei dem der Täter, so gehört sich das bei einem guten, spannenden Krimi, den Beamten immer einen Schritt voraus ist. Flückigers Zwischenruf, dass es bei diesem Mord vielleicht um eine private Abrechnung zwischen den Zünftern geht - das habe er im Urin -, ist fast schon genial. Und je mehr die beiden Ermittler das geheime Leben der Zünfter studieren, umso mehr machen sich Abgründe auf.
Flückiger und Ritschard scheinen vor lauter Bäumen den Wald nicht zu sehen und unterschätzen den Täter mehr als einmal sträflich. Das erfährt Flückiger, als er von einem vermeintlichen Polizisten im Hause des Selbstmörders geknebelt wird. Urkomisch die Szene, als Flückiger mit zugeklebtem Mund versucht, per Handy Hilfe zu rufen. Dann kommt das Highlight des Films. Dem Kommissar wird vom Täter eine Dosis Drogen gespritzt. Und auf einmal wird aus dem Kotzbrocken, der ständig Kollegen und Zeugen anschnauzt, ein ganz passabler Mensch.
Der Showdown zwischen Täter und Polizei erfolgt dann auf dem Dach des Hotel Schweizerhof - irgendwie des Guten zu viel -, und man ist mehr als einmal versucht zu hoffen, dass der Täter noch fliehen kann.
Was ist die Message dieses «Tatorts»? Nicht gib dem Affen Zucker, nein, gib dem Flückiger Drogen. Dann klappt es vielleicht auch fortan mit der doch etwas harzigen Schweizer «Tatort»-Geschichte.
«Schmutziger Donnerstag» war ein solides Stück Unterhaltung. Nicht mehr und nicht weniger. Mit dieser Episode kann die SRG-Episode nur knapp in die Europa League aufsteigen. Dass sich die deutschen und österreichischen Ermittler aber längst in der Champions League festgesetzt haben, versteht sich von selbst.
Was sagen andere TV-Kritiker zum Schweizer Tatort «Schmutziger Donnerstag»:
11.2.2013: «Ein bisschen Spannung hätte auch nicht geschadet»
1.9.2010: «Das Leben ist zu lang» - Interview mit Dani Levy: «Die Filme sind mein Leben»