Content:

Dienstag
07.12.2010

Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat am Dienstag eine Beschwerde gegen die «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens teilweise gutgeheissen. Der Entscheid betrifft einen Beitrag über den Abschluss der Voruntersuchung im Fall Holenweger. Am 18. Dezember 2009 orientierte der stellvertretende eidgenössische Untersuchungsrichter die Medien über den Abschluss der Voruntersuchung gegen den früheren Zürcher Privatbankier Oskar Holenweger. In der Mittags- und Hauptausgabe der Nachrichtensendung «Tagesschau» vom gleichen Tag strahlte das Schweizer Fernsehen auf SF 1 dazu jeweils einen Beitrag aus. Dagegen erhob eine nicht direkt betroffene Person, unterstützt von 27 Mitunterzeichnenden, Beschwerde bei der UBI.

In der Mittagsausgabe der «Tagesschau» sei dem Publikum ein einseitiges Bild zum Abschluss der Voruntersuchung im Fall Holenweger vermittelt worden, urteilte die UBI. Es sei ausschliesslich der Standpunkt des Untersuchungsrichters zum Ausdruck gekommen. Über die Ansichten des Angeschuldigten, gegen welchen im Beitrag mehrere strafrechtlich relevante Vorwürfe erhoben werden, erfuhr das Publikum nichts. Weder fasste die Redaktion die entsprechenden Textstellen aus der Medienmitteilung des Untersuchungsrichters zusammen noch wies sie darauf hin, dass sie bis zum Ausstrahlungstermin des Beitrags keine Stellungnahme von Oskar Holenweger oder von dessen Anwalt erhalten habe.

Sie habe es überdies unterlassen, explizit auf die Unschuldsvermutung hinzuweisen oder zumindest die weiteren Verfahrensschritte zu skizzieren, um den erhöhten Sorgfaltspflichten bei der Berichterstattung über laufende Strafverfahren Rechnung zu tragen. Die Ausdrucksweise habe nicht durchwegs der bei entsprechenden Fällen gebotenen Zurückhaltung entsprochen. Da sich das Publikum insgesamt keine eigene Meinung zum Abschluss der Voruntersuchung gegen Oskar Holenweger bilden konnte, hat der Beitrag der «Tagesschau»-Mittagsausgabe das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt. Die UBI hat die Beschwerde aus diesen Gründen mit 5:3 Stimmen gutgeheissen.

Anders wurde die Hauptausgabe vom selben Tag beurteilt. Zwar habe auch im Beitrag der «Tagesschau»-Hauptausgabe ein ausdrücklicher Hinweis auf die Unschuldsvermutung gefehlt. Dieser Mangel sei aber insbesondere durch die zweimalige Erwähnung des Standpunkts des Angeschuldigten sowie durch ausgestrahlte Aussagen des verantwortlichen Untersuchungsrichters zu den kommenden Verfahrensschritten im Wesentlichen kompensiert worden. Bereits in der Anmoderation und vor allem auch ganz am Schluss des Beitrags sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Oskar Holenweger alle ihm vorgeworfenen Straftaten bestreite.

«Für das Publikum wird damit erkennbar, dass die Ergebnisse der Voruntersuchung und die daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen umstritten sind. Durch die zusätzlichen Informationen zum Verfahren konnte es sich überdies ein korrektes Bild über die rechtliche Relevanz des Schlussberichts der Voruntersuchung bilden», urteilt die UBI. Indirekt wurde damit ebenfalls dem Grundsatz der Unschuldsvermutung Rechnung getragen. Mit 7:1 Stimmen hat die UBI deshalb befunden, dass der Beitrag in der «Tagesschau»-Hauptausgabe das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt hat.

Die Beschlüsse der UBI können beim Bundesgericht angefochten werden. Ist der Entscheid rechtskräftig, muss das Schweizer Fernsehen der UBI innert 30 Tagen berichten, welche Massnahmen es getroffen hat, um ähnliche Rechtsverletzungen wie diejenige in der «Tagesschau»-Mittagsausgabe in Zukunft zu vermeiden.