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Montag
16.05.2011

Dem jährlichen Verlegerkongress droht ernsthafte Konkurrenz. Dies ist das Fazit des von «Sonntag»-Chefredaktor Patrik Müller auf die Beine gestellten ersten Swiss Media Forums im Luzerner KKL. Obwohl die auf zwei Tage gedehnte Veranstaltung noch grosse Mängel aufwies, hat das Forum das Potenzial, der jährlichen Verlegertagung den Rang abzulaufen. Aus zwei Gründen: Erstens ist das Zielpublikum breiter. Es waren vor allem diverse prominente Vertreter der PR-Branche unter den 250 Gästen. Und zweitens liegt Luzern viel zentraler als Pontresina oder Montreux. Eine Hotelübernachtung ist nicht zwingend.

Inhaltlich vermochte das Programm allerdings (noch) nicht zu überzeugen. Zu harmlos, zu wenig kritisch waren die Vorträge und Voten. Der absolute Höhepunkt war am Freitagvormittag das erste Zusammentreffen der CEOs der vier grössten Verlagshäuser der Schweiz. Christian Unger (Ringier), Martin Kall (Tamedia), Albert P. Stäheli (NZZ-Gruppe) und Christoph Bauer (AZ Medien), die von Gesprächsleiter Francesco Benini («NZZ am Sonntag») ordentlich gefordert wurden. Die «vier Elefanten» lieferten zwar keine Knüller, verströmten aber doch Optimismus und liessen den einen oder andern flotten Spruch fallen. Kall überraschte mit der Ankündigung, in nächster Zeit weitere 200 Stellen im Online-Bereich schaffen zu wollen.

Tiefpunkt waren am Freitag die vier Präsentationen von Erfolgsbeispielen aus der Medienbranche. Man wähnte sich auf einer Verkaufsveranstaltung, als etwa Dominik Kaiser (TV-Sender 3+) oder Urs Hügli (Homegate.ch) ihre Firmen vorstellten. Dabei wäre gerade eine kritische Befragung von Kaiser angezeigt gewesen, der geführte Verkaufsgespräche mit Ringier öffentlich dementierte. Mit Johann Schneider-Ammann gab sich sogar ein Bundesrat die Ehre, auch wenn seine kurze Eröffnungsansprache wenig inspirierend war.

Obwohl nicht explizit ausgesprochen: Luzern erlebte die Geburtsstunde einer Gegenveranstaltung zur Jahresversammlung des Verlegerverbandes im Schosse der AZ-Medien. Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument muss sich warm anziehen, zumal der letzte Kongress mehrheitlich als Flop wahrgenommen worden war und die zwei davor auch schon zu wünschen übrig liessen. Aber möglicherweise ist der «Südostschweiz»-Verleger bis dann gar nicht mehr Präsident des Verbandes.

Das Swiss Media Forum selber ist zu Recht auch schon stark in die Kritik geraten. Von journalistischer Unabhängigkeit keine Spur, da vieles miteinander verquickt ist. Initiant Patrik Müller, der die Zeitung «Der Sonntag» leitet, weist die Kritik gegenüber dem Klein Report zurück: «Natürlich heisst es sofort, wenn wir in der Zeitung über SwissLife schreiben, das habe etwas mit dem Kongress zu tun, bei dem der Lebensversicherer einer der Sponsoren ist», so Müller. Sagts und lässt es im Raum stehen.

Weitere «Leading Partner», wie sie auf der Kongress-Website verharmlosend genannt werden, sind: Axpo und Raiffeisen. Das Energieunternehmen und die Bankengruppe sind Sponsoren, also Geldgeber. Als Medienpartner hat sich Müller das Fachmagazin «Persönlich» angelacht, das mittlerweile komplett in die Unternehmenspublizistik abgedriftet ist. Sein Programmheft in Luzern «Und jetzt» wird dem Magazin, das wiederum dem Inseratevermarkter Publigroupe gehört, beigelegt.

Die Vermarktung des Swiss Media Forums ist an die Kommunikationsagentur Schaerer und Partner AG in Lenzburg ausgelagert worden, welche die Welt über die Wochen permanent mit Medienmitteilungen eindeckte.

Im Beirat, auf der Website Advisory Board, sitzt Patrik Müller gleich selber. Er berät sich also auch selber. Hilfestellung erhält der Journalist von seinem Verleger Peter Wanner, der dem Board nebst Pascale Bruderer Wyss, Miriam Meckel, Catherine Mühlemann, Frank Bodin und Tamedia-Verleger Pietro Supino angehört. Aber auch SRG-Generaldirektor Roger de Weck, der wiederum als Redner am Kongress auftrat und damit auch gleich für die Präsenz im Schweizer Fernsehen sorgte.

Vielleicht sollte man den Text des Gastredners Bundesrat Johann Schneider-Ammann nochmals lesen. Unter Punkt 3 seiner 6 Wunschgedanken zu «Qualitätsmedien»: «Unabhängigkeit:
 Niemand - das heisst weder Eigentümer, Mächtige noch Inserenten - nimmt Einfluss auf die Berichterstattung».

Verlger-Kongress 2010 in Prontresina: Das Kongress-Geschäft kann auch höchst lukrativ sein