Die künstliche Intelligenz (KI) steht vor den Toren. Auch in der Werbebranche dampfen derzeit die Köpfe über den atemberaubenden Verheissungen und den verbreiteten Befürchtungen über die Folgen der neuen Technologie.
Der Klein Report sprach anlässlich des neuen Werbejahres mit Roland Ehrler, Direktor des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands (SWA), über Stand und Gang der Dinge in der Kreativ-Branche.
Die Hälfte des ersten Monats ist um. Bereits sind erste Turbulenzen zu erkennen, die uns die künstliche Intelligenz bescheren wird. Wie ist Ihre Einschätzung für die Werbebranche 2024?
Roland Ehrler: «Werbung ist die treibende Kraft der Wirtschaft, die den Wettbewerb beflügelt. Das war schon immer so, hat nichts mit Red Bull zu tun und wird auch im Jahr 2024 so sein. Dabei sehe ich dank den unzähligen, neuen KI-Anwendungen gerade für dieses Jahr zahlreiche Chancen für die Werbebranche.»
Wo sehen Sie in der Werbewelt die grössten Chancen und wo die grössten Risiken, die von KI ausgehen?
Ehrler: «Die Chancen sehe ich insbesondere in den neuen Formen der Kreation; zum Beispiel bei der Ideenfindung und Umsetzung, dann in der Produktion, zum Beispiel mit der Individualisierung, Format- und Sujetvarianten et cetera, aber auch in der Media, zum Beispiel in der Analyse und Wahl von Zielgruppen. Die Risiken sehe ich derzeit im Bereich der Rechte, wenn es um die Kreation geht. Gleichzeitig könnte sich die Art und Weise, wie Kampagnen konzipiert und umgesetzt werden, stark verändern. Das müssen Kundinnen und Agenturen gemeinsam anpacken.»
Am SWA-Jahresmeeting vom 7. März dreht sich ja vieles um künstliche Intelligenz in Marketing und Kommunikation. Weshalb nehmen praktisch nur deutsche Referenten teil?
Roland Ehrler: «Das Thema am diesjährigen SWA-Jahresmeeting lautet ‚The AI-Revolution‘. Dabei haben wir bewusst das Wort ‚Revolution‘ gewählt, weil wir meinen, dass die künstliche Intelligenz die Werbebranche massiv verändern wird. Die Nationalität unserer Referenten und Referentinnen ist dabei sekundär. Wir haben einzig Persönlichkeiten gesucht und gefunden, welche sich mit KI bereits einen Namen gemacht haben und etwas zu sagen haben.»
Vor zwei Jahren lancierte der SWA zusammen mit LSA und IAB Switzerland die Initiative Digital Ad Trust Switzerland. Was wurde damit bisher erreicht?
Ehrler: «Der Verein Digital Ad Trust wurde am 3. Februar 2021 gegründet und hat sich sehr gut entwickelt! Wir sind also fast drei Jahre jung! Mit der Gründung des neuen Vereins zusammen mit IAB Switzerland und Leading Swiss Agencies stehen die wichtigsten drei Branchenverbände hinter dieser Transparenz-Initiative. Der grösste Teil des Schweizer Digital-Werbeinventars wird damit unabhängig bezüglich Ad-Fraud, Viewability, Brand-Safety und User-Experience zertifiziert. Gestartet sind wir mit den gängigen Display-Formaten und inzwischen wird auch Video zertifiziert. DAT-zertifizierte Seiten/Plattformen geben den Werbekunden und Agenturen die Sicherheit, dass der Werbefranken auf den Schweizer Digitalangeboten gut und sicher investiert ist.»
Die Werbeauftraggeber kritisieren seit Längerem, dass die Werbeschaltungen in Print-Medien zu teuer seien. Gab es auf die SWA-Intervention/-Initiative Veränderungen im Pricing?
Roland Ehrler: «Wir überwachen im Interesse unserer Mitglieder alle Mediapreise, nicht nur die Preise von Printmedien. Zusammen mit dem LSA geben wir dazu ein jährliches Update mit dem ‚MPLI‘, dem Media-/Preis-Leistungsindex heraus. Gerade im letzten Dezember haben wir diesen wieder veröffentlicht. Damit sorgen wir für Transparenz und Diskussion zu den Preisen der Media-Vermarkter. Das hat gerade auch bei Zeitungen und Zeitschriften schon zu konkreten Preissenkungen geführt.»
Und was ist die Strategie des SWA in dieser Sache? Wie gehen Sie als Interessenvertretung gegen die monierte Überteuerung vor?
Ehrler: «Die Bedeutung von Print als Werbekanal hat in den letzten zehn Jahren stark abgenommen. Davon haben vor allem die Online-Kanäle profitiert. Gleichzeitig sind aber die Vermarkter heute gesprächsbereiter als früher, wenn Werbekunden in Printmedien investieren wollen.»
Wir sind jetzt in der Nach-Corona-Zeit. Wo steht die Branche nach dem Corona-Schock?
Roland Ehrler: «Die SWA-Mitglieder kommen aus allen Branchen und Corona hat diese ganz unterschiedlich getroffen. Dabei haben die einen mehr und die anderen weniger gelitten. Wenn wir nur die Werbebranche betrachten, hat sich diese schon immer sehr schnell an neue Umstände angepasst. Inzwischen haben wir alle Corona hinter uns gelassen und blicken lieber nach vorne.»
Wie ist Ihr ganz persönlicher Ausblick auf 2024 als Roland Ehrler?
Ehrler: «Aus Gesprächen mit Mitgliedern und unserer Umfrage, welche wir Ende 2023 zusammen mit Leading Swiss Agencies durchgeführt haben, sieht es für das Jahr 2024 recht positiv aus. So erwarten von den SWA-Mitgliedern fast 80 Prozent der Unternehmen einen gleichbleibenden oder höheren Ertrag im Jahr 2024. Konkreter auf die Kommunikationsbudgets bezogen planen 43 Prozent der Unternehmen keine Veränderung gegenüber 2023, 29,1 Prozent planen eine Erhöhung und 27,7 Prozent eine Reduktion.»