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Donnerstag
08.07.2021

Medien / Publizistik

Ringiers Kniefall: «Es war nie die Absicht von Ringier, die Persönlichkeitsrechte von Herrn Guy Lachappelle oder das berufliche Ansehen von Frau Christina Hatebur zu verletzen»... (© Bild: Blick)

Ringiers Kniefall: «Es war nie die Absicht von Ringier, die Persönlichkeitsrechte von Herrn Guy Lachappelle oder das berufliche Ansehen von Frau Christina Hatebur zu verletzen»... (© Bild: Blick)

Ein weiterer medialer Gau bei Ringier: Noch am Sonntag veröffentlichte der «SonntagsBlick» einen langen Beitrag mit der Spitzmarke «So dreist ist Guy Lachappelle» und darunter die Headline «Das falsche Spiel des Raiffeisen-Präsidenten».

Der nur als «Die Redaktion» gekennzeichnete Artikel attackierte den Verwaltungsratspräsidenten von Raiffeisen Schweiz frontal. Von diesem anklagenden Sermon ist am Mittwoch aber bereits nichts mehr zu sehen, der gesamte Artikel wurde gelöscht.

Ein Bericht von Juniorredaktor Kai Vogt und Chefredaktorin Ursula Klein.

In diesem verblichenen Artikel hiess es im darauffolgenden Lead: «Jetzt bekommt dieses Bild arge Risse: Guy Lachappelle nutzte ein vertrauliches Hintergrundgespräch, um gegen ‚SonntagsBlick‘ vorzugehen. Ein einzigartiger Vorgang – und ein fundamentaler Vertrauensmissbrauch.»

Konkret warf der «SonntagsBlick» dem Topbanker Guy Lachappelle vor, ein vertrauliches Treffen zwischen ihm und seiner Kommunikationsberaterin Christina Hatebur mit Teilen der «Blick»-Redaktion dafür verwendet zu haben, eine Recherche gegen ihn zu stoppen. Nach dem Austausch sei «geheim» ein «einseitiges» Gesprächsprotokoll erstellt worden, das anschliessend dem Gericht vorgelegt wurde, «um damit ihm angeblich drohende Gefahren zu beweisen».

Die Geschichte machte am Sonntag die Runde und wurde von verschiedenen Medien blind wiedergegeben, so auch von «Persönlich». Aber schon nur wenige Stunden später sind alle diese Beiträge von der Bildfläche verschwunden – wer danach sucht, sucht vergeblich. Stattdessen findet man eine Stellungnahme der Ringier AG bezüglich des Berichtes über Lachappelle. Und daraus wird klar, dass die Geschichte einen ganz anderen Dreh genommen hat und nun Ringier auf der Anklagebank sitzt.

Die Recherche, um die es beim Treffen zwischen der «Blick»-Redaktion und Guy Lachappelle ging, handelte gemäss «Inside Paradeplatz» von Lachappelles Ex-Affäre mit einer Managerin, die er «belangt und eingeklagt hat, nachdem diese letzten Sommer ein 50-seitiges Buch über den sogenannt fragwürdigen Leader publizierte». Mit seiner Klage erlangte der Banker ein Publikationsverbot des Buches.

Wegen seiner privaten Angelegenheiten ging Lachapelle nicht nur juristisch gegen die Frau vor, sondern auch gegen die «Blick»-Journalisten: Denn als der Verwaltungsratspräsident von Raiffeisen von deren Recherche Wind bekam, erwirkte er eine superprovisorische Verfügung, die Ringier untersagt, über den Fall zu berichten. So publizierte der «SonntagsBlick» nur Andeutungen ihres Wissens. Die eigentliche Recherche blieb geheim, bis es nach der Publikation zum Supergau kam.

«Mehrere Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder von Raiffeisen sowie verschiedene Persönlichkeiten in Basel, von wo Lachappelle stammt, hatten im Verlauf des Sonntags von unbekannter Seite den geplanten Artikel zugespielt erhalten», wie «Inside Paradeplatz» schreibt. Das bedeutet: private Informationen über Lachappelle von Dritten, die nie hätten an die Öffentlichkeit gelangen dürfen. 

Danach brannte bei Ringier die Hütte: Der federführende Anwalt, der CEO und der Verleger kamen in grösste Nöte. Sofortiges Handeln war kurz vor dem Totalschaden gefragt. Und die Reaktion: Die Ringier-Chefs beugten sich dem Druck und krebsten zurück, indem sie alle bisherigen Artikel dazu löschten und sich prominent entschuldigten. Sieg für Guy Lachappelle.

Denn in der Stellungnahme von Ringier heisst es:

«Es war nie die Absicht von Ringier, die Persönlichkeitsrechte von Herrn Guy Lachappelle oder das berufliche Ansehen von Frau Christina Hatebur zu verletzen. Sollte in der Öffentlichkeit ein anderer Eindruck entstanden sein, bedauert dies Ringier in aller Form, weshalb auch die bisherige Berichterstattung zu diesem Thema im Medienarchiv nicht mehr abrufbar ist. Alle gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Ringier und Herrn Lachappelle konnten mittlerweile im gegenseitigen Einvernehmen beigelegt werden.»

Dazu kommentiert der Klein Report: Indem Ringier seinen Kotau machte, entging der Verlag einem teuren und langwierigen Prozess, den er am Ende wahrscheinlich nicht gewonnen hätte. Es bleibt dennoch ein beispielloser Rufschaden.