Dass Gewaltszenen im TV zur Gewalt im Alltag führen können, ist längst bekannt. Weniger bekannt war aber bisher, dass auch «spassige Gewalt» am Radio Folgen haben kann. Eine von den Landesmedienanstalten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in Auftrag gegebene Untersuchung der Universität Leipzig kommt zum Schluss, dass auch Äusserungen von Radiomoderatoren von Jugendwellen von ihren Zuhörern als verbale Gewaltattacken empfunden werden können. Angriffe gegen Ko-Moderatoren, Anrufer oder auch Prominente wirkten dann als «auditive Gewalt», betonte Medienpädagoge Bernd Schorb. Schorb untersuchte fünf Jugendstationen. Parallel wurden 250 Jugendliche von 9 bis 16 Jahren zur Wirkung von teils drastischen Radiobeispielen befragt. Etwa die Hälfte aller Beleidigungen oder Herabwürdigungen seien in die Radio-Primetime von 6 bis 8 Uhr morgens gefallen, fand Schorb heraus. Dabei werde die «psychische Gewalt» zumeist in Witzen und Spässen verpackt.
Die Folgen der Äusserungen blieben meist im Verborgenen, da die beleidigten Personen selten die Möglichkeit hätten, zu reagieren, argumentiert Schorb. Damit werde den Jugendlichen ein kritischer Bezugspunkt vorenthalten. Für die «verbale Gewalt» macht Schorb vor allem die Moderatoren verantwortlich. Diese umgäben sich durch drastische Wortwahl mit dem «Schein der Jugendlichkeit», missachteten aber zugleich die Probleme junger Zuhörer und degradierten diese durch Spässe. Bei der Rezeptions-Auswertung kam heraus, dass Mädchen sensibler als Jungen auf die verbalen Angriffe der Radio-DJs und Moderatoren reagierten. Jungs fänden die Sprüche meist «cool», Mädchen hätten eher die Folgen und die Betroffenen im Blick. Gewalt werde lustig verpackt und damit salonfähig, kritisiert er weiter.
Dienstag
11.11.2003