Die Brust zieht sich zusammen, Schweiss tritt hervor, die Atmung wird unregelmässiger. Unten steht der Briefbote mit dem eingeschriebenen Brief. Der Absender: ein Medienanwalt oder sogar eine Kanzlei, die sich auf Presserecht konzentriert hat.
Für Verlage ist das Szenario ein bekanntes. Tage oder Wochen nach einer Publikation schickt der im Artikel erwähnte oder kritisierte Protagonist seinen Anwalt los und versucht in manchen Fällen, die Redaktion einzuschüchtern.
Missbräuchliche Klagen, die Definition ist häufig subjektiv, sind das Sand im redaktionellen Getriebe. Sie können die hauseigenen Juristen für eine lange Zeit blockieren und bringen Chefredaktore dazu, den beanstandeten Artikel vorsichtshalber gleich zu löschen.
Solche Klagen haben einen Namen: «Strategic lawsuits against public participation», oder kurz: SLAPPs. Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) hat gemeinsam mit der Medienbranche einen nationalen Aktionsplan zur Sicherheit von Medienschaffenden in der Schweiz erstellt.
Prof. Dr. Vinzenz Wyss und sein Team vom Institut für angewandte Medienwissenschaft (IAM) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) wurde vom Bakom beauftragt, eine Studie zu erstellen, in welcher Fragen zur Häufigkeit, Dynamik, betroffenen Medientypen, Themengebiete sowie mögliche Effekte von SLAPPs in der Schweizer Medienbranche beantwortet werden.
Nach Gesprächen mit 19 Rechtsexperten und Chefredaktor und einer Onlineumfrage bei 142 Chefredaktoren fand man heraus, dass alleine die Androhung von SLAPP häufig zur Selbstzensur bei den Verlagen führt.
SLAPPs werden auch als potenzielle Bedrohung für die Medienfreiheit betrachtet. Die Befragten sehen die Gefahr eines «chilling effects» und einen möglichen Verlust der journalistischen Watchdog-Funktion.
Die Mehrheit der befragten Rechtsexperten ist aber der Ansicht, dass bestehende Gesetze, insbesondere die Zivilprozessordnung (ZPO), ausreichen, um gegen SLAPPs vorzugehen.
Die Vorschläge der Medienprofis gehen in eine andere Richtung: Die Befragten schlugen brancheninterne Massnahmen vor, darunter der Zugriff auf gemeinsam genutzte Rechtsressourcen, einen Wissens- und Erfahrungsaustausch sowie Schulungen.
Die Idee eines gemeinsamen Fonds für betroffene Redaktionen wurde diskutiert, ebenso wie die Rolle des Presserats.