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Sonntag
27.04.2008

Das Thema Tibet hat angesichts der näherkommenden Olympischen Spiele für die chinesischen Behörden aller Stufen offenbar einen Grad der Reizbarkeit geschaffen, der für westliche Verhältnisse bisher unbekannt ist. Dabei sind Medienschaffende ebenso einem straffen Textmanagement ausgesetzt wie die diplomatischen Vertreter des Reichs der Mitte. Dies mussten der «Tages-Anzeiger» und die Zeitung «Sonntag» der Mittelland-Zeitungen erfahren, die Gespräche mit dem chinesischen Botschafter Dong Jinyi zum Thema führen wollten.

Der «Sonntag» hat jetzt die Konditionen publiziert, unter denen das Interview schliesslich stattfinden konnte. Drei Beispiele: 1.: «Wenn es nötig sein sollte, ein persönliches Interview zu führen, stellen Sie bitte exakt die gleichen Fragen, die zuvor eingesandt wurden, ohne jegliche Änderung.» 2.: «Wenn vereinbart wurde, wie lange jede Antwort sein darf, ist es erforderlich, dass die Antworten des Befragten vollständig und ohne jede Kürzung veröffentlicht werden.» 3.: «Die letzte Fassung des Interviews muss vom Befragten (...) unterschrieben werden. Der unterschriebene Textentwurf (...) wird als Beweis behalten.» Schliesslich habe ein Mitarbeiter der Botschaft zusätzlich darauf bestanden, den letzten Abzug der Seite mit dem Interview zu sehen, bevor diese in Druck geht.

Für den «Tages-Anzeiger» hatte sich der chinesische Botschafter in Bern diese Woche für ein Streitgespräch mit dem Zürcher SP-Nationalrat Mario Fehr zur Verfügung gestellt, der Präsident der überparteilichen Parlamentariergruppe für Tibet ist. «Alles ging überraschend problemlos», erzählt Auslandredaktor Dominique Eigenmann laut «Sonntag». «Aber man merkt trotzdem, dass die Chinesen immer gerne die Kontrolle behalten möchten.»

«Sonntag»-Chefredaktor Patrik Müller vermutete am Sonntag gegenüber dem Klein Report, das Gespräch zwischen Dong Jinyi und Mario Fehr sei deshalb etwas lockerer verlaufen, weil ein Politiker anwesend gewesen sei. Alle übrigen Medien müssen sich nach seiner Einschätzung eng an die chinesischen Vorschriften halten. Die von ihm publizierten Bedingungen lassen sich übrigens auch als Versuch der chinesischen Behörden interpretieren, ihr eigenes Botschaftspersonal an der ganz kurzen Kommunikationsleine zu führen.