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Sonntag
29.04.2001

Die SRG SSR idée suisse begrüsst die Zielsetzungen für die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG), erhebt aber Einwände gegen die Umsetzung im Entwurf und macht Vorschläge für eine konstruktive Weiterentwicklung. Der Zentralratsausschuss hat die Vernehmlassung einstimmig verabschiedet. Sie wurde aufgrund sorgfältiger Analysen in der Trägerschaft und im Unternehmen in allen Sprachregionen erarbeitet. Die SRG SSR stellt sich hinter das Ziel eines umfassenden schweizerischen Medienangebotes und eines starken Service public. Der Entwurf weist jedoch eine zu hohe Regelungsdichte auf, schränkt die SRG SSR programmlich und wirtschaftlich zusätzlich ein, verstärkt die staatlichen Kompetenzen und gewährt den übrigen Veranstaltern nicht genügend Freiheiten. Das neue RTVG soll gemäss der SRG SSR im konstruktiven Dialog mit den Betroffenen praxisorientiert weiterentwickelt werden.


Ja zu der Analyse und den Zielen

Die SRG SSR stimmt mit der Analyse der Ausgangslage für ein neues Gesetz weitgehend überein. Im Zuge der Digitalisierung und Globalisierung werden schweizerische Angebote in Zukunft noch mehr Konkurrenz bekommen. Die kleinen schweizerischen Märkte setzen jedoch privaten und kommerziellen Veranstaltern wirtschaftliche Grenzen. Service-public-Rundfunk ist die Voraussetzung für ein Angebot, das der Vielfalt des schweizerischen kulturellen, politischen und ökonomischen Lebens gerecht wird.

Die SRG SSR stellt sich voll hinter das medienpolitische Ziel eines eigenständigen und international konkurrenzfähigen schweizerischen audiovisuellen Angebots. Sie teilt auch die Auffassung, dass der Service public umfassend verstanden werden muss und versteht sich als die massgebende Leistungsträgerin für diese Aufgabe, was auch der Bundesrat bestätigt. Damit in den sprachregionalen Märkten schweizerische Angebote qualitativ und quantitativ ihre Stellung halten können, braucht es eine solidarisch finanzierte, starke und innovative Institution. Voraussetzung für den Service public sind eine gemischte Finanzierung der SRG SSR über Gebühren und kommerzielle Einnahmen. Die Mischfinanzierung gewährleistet eine wirtschaftlich minimale Grösse, erhöht die Unabhängigkeit und sorgt für unternehmerische Dynamik. Die technische Verbreitung der Programme des Service public soll auch in Zukunft mit der Verpflichtung zu Verbreitung der Programme und einer angemessenen Preispolitik garantiert sein. Die SRG SSR unterstützt auch die Absicht, weiteren Veranstaltern mehr Freiheiten einzuräumen, indem sie keine Konzession mehr benötigen, keinen Leistungsauftrag mehr erfüllen müssen und die Werbeordnung europäischem Niveau angepasst wird.


Einwände gegenüber der Umsetzung

Die SRG SSR ist der Auffassung, dass die Umsetzung dieser Ziele im konkreten Revisionsentwurf noch nicht gelungen ist. Im Ergebnis wird der Service public eher geschwächt statt gestärkt, wenn ihm mehr Verpflichtungen und Beschränkungen auferlegt und gleichzeitig Mittel entzogen werden. Zudem besteht eine Reihe von weiteren Einwänden:


Zu hohe Regelungsdichte

Der Revisionsentwurf enthält gemäss der Einschätzung der SRG SSR verschiedene Bestimmungen, welche eine erfolgreiche Umsetzung der Ziele gefährden. Im Vergleich zu heute wollen zahlreiche neue Artikel Inhalte gesetzlich regeln, die bis anhin auf der Ebene der Konzession und des Unternehmens behandelt wurden. Zusätzliche Normen betreffen auch die kommerziellen Veranstalter. Die SRG SSR plädiert für den Verzicht auf unnötige administrative Verpflichtungen sowie auf allgemeine Programmvorschriften für andere Veranstalter. Die SRG SSR kritisiert die Zunahme der Regelungsdichte im Entwurf und legt Wert auf die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen, die Autonomie in der Programmgestaltung und eine klare Unterscheidung von unternehmerischer Verantwortung und staatlichen Aufsichtsfunktionen.


Bedürfnisse des Radios berücksichtigen

Den unterschiedlichen Rahmenbedingungen von Radio und Fernsehen wird nach Auffassung der SRG SSR zu wenig Rechnung getragen. Die programmliche und wirtschaftliche Entwicklung ihrer Radios wird stark eingeschränkt, weil der Entwurf Verbote von Sparten- und Zielgruppenprogrammen und Einschränkungen von regionalen Angeboten ermöglicht. Beteiligungen an andern Veranstaltern sollen neu gesetzlich untersagt werden. Damit werden bereits bestehende, erfolgreiche Zusammenarbeitsformen von SRG-SSR-Radios, insbesondere in der Westschweiz, in Frage gestellt.


Weiterführung des Gebührensplittings

Im Gegensatz zum Konzept des Revisionsentwurfs spricht sich die SRG SSR nicht gegen eine Weiterführung des Gebührensplittings aus. Sie könnte sich sogar eine Weiterentwicklung vorstellen. Voraussetzung dafür sind jedoch klare Rechtsgrundlagen für ein durchsetzungsfähiges Inkassosystem und die Möglichkeit, allfällige Gebührenausfälle durch kommerzielle Aktivitäten zu kompensieren, was grundsätzlich auch für das Radio gelten muss.


Mehr Werbemöglichkeiten für Kommerzielle, keine Rückschritte für die SRG SSR

Demgegenüber werden im Entwurf die Möglichkeiten des Service public für kommerzielle Einnahmen eingeschränkt. Die SRG SSR akzeptiert grundsätzlich Werberegelungen, welche den kommerziellen Anbietern einen grösseren Spielraum als ihr einräumen. Sie wehrt sich jedoch gegen zusätzliche Verbote, die unter anderem Heilmittelwerbung oder Verkaufssendungen betreffen. Das Geld, das damit der SRG SSR entzogen würde, wäre verloren. Es würde nicht wie erhofft den anderen Veranstaltern zufliessen und stünde zugleich für Programmleistungen der SRG SSR nicht mehr zur Verfügung. Ein Sponsoringverbot hätte negative Folgen für Kultur und Sport. Mit den Vorschlägen im Entwurf würden ausserdem der schweizerischen Volkswirtschaft wichtige Werbe-plattformen entzogen.


Distribution von Rundfunk ist nicht gleich Telekommunikation

Der Entwurf unterstellt die Rundfunkverbreitung dem Fernmeldegesetz. Er geht von einer umfassenden Konvergenz der Datenströme aus. Wirtschaftlich und technisch bestehen jedoch grosse Unterschiede zwischen Rundfunk und Telekommunikation. Sowohl das Verbreiten von umfassenden Programmen wie auch der mobile terrestrische Empfang sind besondere Aufgaben. Zudem besteht die Gefahr, dass der Rundfunk in direkte Konkurrenz zu der Telekommunikation gesetzt würde. Damit wären eine tragbare Preispolitik und der Zugang zu Uebertragungskapazitäten im Markt nicht mehr sichergestellt. Die SRG SSR fordert deshalb, dass Rundfunkfrequenzen klar von der Telekommunikation abgegrenzt werden. Sie will zudem, dass sie und die übrigen Veranstalter wie heute die Distribution weiterhin selber steuern können. Trotz des Aufbaus der digitalen Verbreitung wird in den nächsten Jahren die analoge Verbreitung parallel erfolgen. Die Rundfunkveranstalter müssen voll in die Planung des Aufbaus von neuen Distributionsverfahren einbezogen bleiben, und sie sind in dieser Phase auf staatliche Unterstützung angewiesen. Im Übrigen gilt auch hier, dass zwischen TV und Radio unterschieden werden muss. Beim Radio ist zunächst die UKW-Sanierung vordringlich. Sodann wäre im Gesetz nicht nur der digitale Endzustand, sondern vor allem der Uebergang vom analogen ins digitale Zeitalter zu regeln.


Föderale Organisation beibehalten

Die Organisation der SRG SSR wird in den Erläuterungen in Frage gestellt. Der Entwurf selber lässt die Rechtsform der SRG SSR offen, sieht allerdings die volle Wahl der Oberleitung durch den Bundesrat vor. Heute setzt sich der Zentralratsausschuss, der Verwaltungsrat des Gesamtunternehmens, aus den Präsidenten der Regionen und Vertretern des Bundes zusammen. Dies entspricht den föderalistischen und unternehmerischen Bedürfnissen. Eine rein vom Bundesrat bestimmte Oberleitung hingegen wäre ein unzweckmässiger Eingriff in die föderale Struktur und eine Verletzung der Organisationsautonomie der SRG SSR. Mit einer breiten Trägerschaft, einer dezentralisierten professionellen Organisation und unternehmerischen Methoden kann die SRG SSR heute und weiterhin einen Service public gewährleisten, der die vielfältigen Ansprüche von Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport und insbesondere der Gebührenzahlenden erfüllt.


Beibehaltung von Bakom und UBI

Die bisherige unabhängige Kommunikationskommission (ComCom) soll gemäss dem Entwurf in Zukunft nicht nur für Telekommunikation, sondern auch für Rundfunk zuständig sein. Künftig soll die Unabhängige Beschwerdeinstanz (UBI) in die Kommission integriert und das heutige Bundesamt für Kommunikation (Bakom) als deren Sekretariat organisiert werden. Die SRG SSR befürwortet die Zuweisung von gewissen Kompetenzen an die ComCom, hält sie jedoch nicht für geeignet, sämtliche Aufgaben zu übernehmen. Die SRG SSR plädiert deshalb für die Beibehaltung des Bakom und der UBI.


Eidgenössische Medienkommission für alle, Publikumsräte für die SRG SSR

Ein vom Bundesrat eingesetzter Beirat soll überprüfen, ob die SRG SSR ihren Programmauftrag erfüllt. Diese wendet sich nicht grundsätzlich gegen die Grundidee des Beirats, nämlich den gesellschaftlichen Diskurs, äussert jedoch Vorbehalte gegenüber der vorgeschlagene Konstruktion. Sie anerkennt selbstverständlich ihre qualifizierte Rechenschaftspflicht. Dazu müssen allerdings Instrumente eingesetzt werden, welche die öffentliche Auseinandersetzung fördern, ohne die publizistische Unabhängigkeit zu gefährden. Die SRG SSR regt an, das vom Presserat vorgeschlagene Modell einer Eidgenössischen Medienkommission, welche die Leistungen von Radio und Fernsehen insgesamt beurteilt und den Bundesrat in medienpolitischen Fragen berät, näher zu prüfen. Die Beurteilung der Programme der SRG SSR soll weiterhin in erster Linie die Aufgabe von sprachregionalen Publikumsräten sein. Die Behördenorganisation insgesamt ist nach Auffassung der SRG SSR kein prioritäres Revisionsanliegen.


Praxisorientierte Lösungen im Dialog finden

Für die weiteren Revisionsarbeiten setzt sich die SRG SSR für eine konsequente Ausrichtung auf die Zielsetzungen ein. Sie erwartet, dass sich die Verwaltung im Dialog mit den Betroffenen die Revision stärker an den Realitäten der Praxis orientiert. Die Normendichte für den Service public darf nicht erhöht und für die übrigen Veranstalter soll sie reduziert werden. Das Prinzip der Subsidiarität staatlicher Eingriffe soll auch für den Service public gelten. Eigenverantwortung und Selbstkontrolle müssen gefördert werden. Die Aufsicht soll als Resultats- und nicht als Prozesskontrolle verstanden werden. Die SRG SSR akzeptiert eine qualifizierte Rechenschaftspflicht und ist gewillt, diese auszubauen. In der weiteren Gesetzesarbeit wird sich die SRG SSR konstruktiv für die Entwicklung von Verständigungslösungen einsetzen.