Oliver Schröm, Chefredaktor von Correctiv, ist ins Visier der Hamburger Strafverfolgungsbehörde geraten. Schröm wird verdächtigt, dass er im Rahmen seiner Cum-Ex-Recherchen Mitarbeiter von Banken dazu angestiftet hat, Geschäftsgeheimnisse zu verraten.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt auf ein Gesuch der Schweizer Behörden hin, die aufgrund einer Anzeige der Schweizer Bank Sarasin tätig wurden. Beim Journalismus-Tag verzichtete Oliver Schröm deshalb im November auf Anraten seines Anwalts auf die Einreise in die Schweiz.
Schröm deckte zusammen mit dem Correctiv-Netzwerk auf, wie Banken, Aktienhändler und Steuerberater mit fraglichen Aktiengeschäften Steuergelder erschlichen haben. Die angebliche Schadenssumme belaufe sich auf mindestens 55 Milliarden Euro in Europa.
Die Bank J. Safra Sarasin wurde im Zusammenhang mit der Verwicklung in Cum-Ex-Geschäfte zuletzt von einem deutschen Gericht zur Rückerstattung von 45 Millionen Euro an einen ehemaligen Kunden, den Drogeriekönig Erwin Müller, verurteilt.
Dass dem Journalisten nun ein Strick aus seinen Recherchen gedreht wird, stösst bei Correctiv auf kollektives Kopfschütteln. In einem offenen Brief wandte sich die Redaktion am Dienstag an die deutsche Justizministerin Katarina Barley und an den Finanzminister Olaf Scholz: Die Strafverfolgung von Oliver Schröm solle umgehend beendet werden. Stattdessen müsse «endlich unsere Staatskasse vor Ausplünderung» gerettet werden.
«Oliver Schröm soll einen Mitarbeiter dazu angestiftet haben, die Cum-Ex-Geschäfte der Schweizer Bank Sarasin öffentlich zu machen. Das stelle eine Verletzung des Bankgeheimnisses dar. Dieser Vorwurf ist absurd: Oliver Schröm hat seine Arbeit als Journalist gemacht und einen erheblichen Missstand in unserer Gesellschaft aufgedeckt.»
Der Versuch, einen Journalisten und eine ganze Redaktion «mundtot» zu machen, ist aus Sicht von Correctiv ein Missbrauch des Strafrechts. Die Staatsanwaltschaft Hamburg stütze sich dabei auf einen Verdacht der «Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen» gemäss Paragraph 17 des deutschen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
«Es ist das erste Mal, dass dieser Paragraph auf einen Journalisten angewendet wird», konstatierte Correctiv im offenen Brief. «Steuerraub ist ein Verbrechen. Journalismus nicht», schliesst das Schreiben an die Justizministerin und an den Finanzminister.