Vor ein paar Wochen noch haben die Medien gejubelt, und auch der Klein Report konnte berichten, dass gemäss Bloomberg die südkoreanische Serie «Squid Game» für Netflix einen «Impact Value» von 900 Millionen Dollar bedeutet. Seither ist dieser Wert noch gestiegen, denn vier Wochen nach Veröffentlichung ist die Serie inzwischen von 111 Millionen Netflix-Konten aus abgerufen worden.
Zu diesem Erfolg hat auch ein gewisser Jeff Bezos beigetragen. Dieser hat für seine 3,4 Millionen Follower auf Instagram «Squid Game» als die «grösste neue Show» gelobt.
Inzwischen mehren sich auch kritischere Stimmen. Diese warnen vor den negativen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. Die Kids spielen nämlich die brutalen Überlebenskämpfe nach. Die Folge sind «blutige Auseinandersetzungen» auf den Pausenhöfen. Lehrkräfte und Medienpädagogen zeigen sich zunehmend besorgt angesichts dieser Entwicklung. In Deutschland musste sogar mehrmals die Polizei einschreiten. In England oder in Belgien warnen Schulen in Elternbriefen vor dem «schädlichen Einfluss der Serie».
Auch in der Schweiz ist das Nachspielen der Netflix-Serie auf einigen Schulhöfen ausser Kontrolle geraten. Der «Blick» berichtete am Freitag von drei Schulen in Lausanne, wo «die tödlichen Kinderspiele» zu einer Massenschlägerei ausarteten, die von der Pausenaufsicht kaum mehr zu stoppen war. Der «Tages-Anzeiger» schildert einen Fall mit «unschönen Szenen» in Dietikon.
Worum geht es? In «Squid Game» erhält der glücksspielsüchtige und hoch verschuldete Gi-hun eine mysteriöse Einladung, um viel Geld zu spielen. Nachdem er zugesagt hat, wird er abgeholt, betäubt und mit 455 weiteren Personen an einen geheimen Ort gebracht, wo alle Teilnehmenden von maskiertem, bewaffnetem Personal angewiesen werden. Im ersten Spiel zeigt sich, dass alle Verlierer eines Spiels sofort getötet werden.
Zwar wird der Wettbewerb daraufhin von den überlebenden Spielern per Mehrheitsentscheid abgebrochen, die meisten von ihnen kehren aber zu den Spielen zurück, da ihr Leben perspektivlos erscheint und sie das Preisgeld wollen. Für die verstorbenen Teilnehmer gibt es ein Krematorium mit mehreren Öfen. Eine Gruppe der für den Spielbetrieb zuständigen Mitarbeiter greift dabei jedoch einzelne Leichen ab und betreibt einen Organhandel mit den aus diesen Leichen gewonnenen Organen.
Erzählt wird der Verlauf eines klassischen Überlebensspiels: Sehr reiche Menschen leisten es sich, anderen, ärmeren Menschen dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig in Spielen umbringen. Gladiatorenspiele also, von Skrupelloseren auch als «Strategiespiele» interpretiert.
Natürlich kann man die Perversion auch philosophisch sehen. «Squid Game» fasziniere durch Zynismus und Sozialkritik, kombiniert mit intelligenter Machart. «Das Ganze ist unerträglich brutal, gleichzeitig unendlich faszinierend», heisst es in einem Kulturbeitrag von SRF.
Die Idee ist nicht neu. Von «Running Man» bis «Die Tribute von Panem» hat man diese Erzählung schon in diversen Formen gesehen, «nie aber in dieser Spannung und Dichte», meint eine Psychologin im «Spiegel».
Andere beschwichtigen, man könne das Phänomen nicht stoppen. Ein Verbot der Eltern sei ein Balanceakt, denn Verbotenes reize die Kinder nur noch mehr. Zu hoffen bleibe, dass der Trend genauso schnell verfliege, wie er gekommen sei.
Einer solchen Hoffnung wird wohl nicht bald entsprochen. Am Freitag reichte ein koreanischer Internetprovider Klage gegen Netflix ein, weil die Server wegen des grossen Erfolges der Serie zusammengebrochen waren. Und Kapersky warnt inzwischen davor, dass über den Download von «Squid Game» auf das Handy auch böse Viren in Form von Phishing-E-Mails in Umlauf gebracht werden.
Der Klein Report meint: Mit einer solchen Fremdkontrolle über ihre Handys bekommen die Kids dann wenigstens einen echten Grusel.