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Mittwoch
12.08.2015

Marketing / PR

Nadja Schildknecht & Res Strehle in Locarno

Nadja Schildknecht & Res Strehle in Locarno

Wieviel Sponsoring vertragen die Festivals? Und soll man den Sponsoren den roten Teppich ausrollen?

Unter diesem Moto gerieten sich Nadja Schildknecht, Co-Direktorin des Zurich Film Festivals, und Marco Solari, Präsident des Filmfestivals von Locarno, in einem Panel des Verbandes der Filmjournalistinnen und Filmjournalisten (SVFJ) am Sonntagnachmittag rassig in die Haare. «Von unserem jährlichen Budget von 7 Millionen Franken stammt über 50 Prozent aus der Privatwirtschaft», sagte Schildknecht zu Beginn der Runde, an der auch Res Strehle, Chefredaktor des «Tages-Anzeigers», Philippe Clivaz, Managing Direktor Visions du réel und Präsident der Festival-Konferenz, sowie Patrick Cotting, CEO and Chairman of CCI Cotting Consulting, teilnahmen. Moderiert wurde der Anlass von Philippa de Roten von RTS.

«Unsere Sponsoren sind visuell weniger stark sichtbar, als hier in Locarno», so Schildknecht, die den Begriff Sponsoring per se anders definiert als Marco Solari. «Sponsoring ist unter anderem mit Ideen verbunden, wie der Sponsor Zusatznutzen für seine Kunden generieren kann, wie er sich am Festival einbringen kann», so die Filmfestival-Managerin, die hingegen nicht viel vom Titel-Sponsoring hält, was am Filmfestival Locarno lockerer gehandhabt wird. Denn ganz generell könne ein Sponsoring-Engagement für einen Kunden auch kontraproduktiv sein.

«Wir suchen das Gespräch mit dem Kunden, vor allem auf der Marketingebene», so Schildknecht, «die müssen das ja dann auch absegnen». Mit diesen Leuten erarbeite ihr Team dann auch die mögliche Darstellungsform, sei das im wichtiger werdenden Hospitality-Bereich, durch einen Wettbewerb oder spezielle VIP-Aktionen.

«Bei uns ist der gesellschaftliche und staatspolitische Aspekt extrem wichtig», holte Solari dagegen wieder einmal die ganz grosse politische Keule hervor. Er gehe immer auf die Top-Ebene in Firmen, um potenzielle Sponsoren anzusprechen. Er appelliere dort an deren staatspolitische Verantwortung, die Schweiz sei ja eine besondere Kunst-Struktur und auch das Tessin. «Würde das auch so sein, wenn das Tessin nicht mehr existierte?», überdrehte er masslos, worauf auch prompt von Tessinern, die am Rande des Zeltes «Magnolia» vor der Piazza Grande lauschten, ein sehr verärgertes «Halleluja!» und ein langes «Amen!» gerufen wurde.

Das Filmfestival von Locarno ist heute nebst seiner ausserordentlich wichtigen filmischen und kulturellen Bedeutung mehr denn je zu einem Wirtschaftsfaktor für das Tessin geworden. Die finanzielle Entwicklung des Festivals ist atemberaubend: Im Jahr 2000 belief sich das Budget auf 5 Millionen Franken, 2015 sind es 13 Millionen Franken. Die direkten Einnahmen des Festivals betragen seit mehreren Jahren immer etwa 2 Millionen Franken.

Der Kanton Tessin steuert 2,8 Millionen Franken jährlich bei. Die öffentliche Hand zahlt insgesamt 5,6 Millionen. Über die Hauptsponsoren UBS, AET, Manor und Swisscom sowie viele kleinere Sponsoren müssen die restlichen 4 bis 5 Millionen Franken aufgebracht werden.

Bei der seit 30 Jahren beim Filmfestival von Locarno engagierten UBS, die auf dramatische Art vor ein paar Jahren vom Staat per Notrecht gerettet werden musste, verstieg sich Marco Solari gleich nochmals: «In dieser Zeit waren wir ganz loyal zu ihnen.»

Und wieder kam ein lautes, verärgertes «Halleluja!» aus dem Publikum. Auf dieses folgten wiederum einige entspannte Lacher, denn Solaris selbstverliebter Habitus und seine dramatischen Attitüden entbehren trotz aller wirtschaftlicher Probleme nicht einer gewissen Peinlichkeit. Solari sagte aber auch, dass das Festival ohne die UBS nicht das geworden wäre, was es heute ist.

Res Strehle vom «Tages-Anzeiger» entschärfte den «Schlagabtausch» zwischen Schildknecht und Solari, wie er es nannte, etwas und richtete zwei Fragen an Nadja Schildknecht bezüglich der «roten Linie» für Sponsoren, was diese dürfen und was nicht...

Der Journalist, der durch den «Tages-Anzeiger» beide Seiten kennt - selber als Zeitungsponsor auftretend, aber auch als Plattform wiederum für Geldgeber -, sieht drei Ebenen, die gewahrt werden müssen: Die inhaltliche Unabhängigkeit als erstes; Tranparenz, die nicht durch Schleichwerbung unterlaufen werden darf («Bei uns wird alles gekennzeichnet, was nicht mit dem redaktionellen Teil zusammenhängt») und keine Einflussnahme.

«Und der Sponsor muss einigermassen zu uns passen», so Strehle. «Der Erotikmarkt Volketswil wäre beispielsweise nicht ganz ideal...» Lacher aus dem Publikum.

Strehle, der das Zurich Film Festival ganz offensichtlich als «kommerzielles» Festival einstuft, versuchte mehrfach von Nadja Schildknecht die Auslegung der «roten Linie» und deren Einhaltung in Zürich abzufragen. «Wir haben eine ganz klare Trennung», so Schildknecht, unter anderem macht das Zurich Film Festival kein Titel-Sponsoring, man versuche «gewisse» Wege zu finden, um dem Sponsor eine Plattform zu geben.

«Gewisse Wege?», fragte Strehle nach. «Da werde ich ja misstrauisch als Journalist und frage nach.» Nadja Schildknecht, die sich an dem SVFJ-Panel ausserordentlich gut geschlagen hatte, dröselte ihr Marketingkonzept dementsprechend nochmals detailliert auf.

Fazit des Klein Reports: Der rote Teppich und die «rote Linie» bleiben.