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Dienstag
06.09.2022

Medien / Publizistik

«'Putins Krieg‘ hat uns 30 Prozent mehr Verkäufe am Kiosk beschert als üblich, auch im Digitalen haben wir überdurchschnittlich viele neue Abos gedreht...»       (Foto: Tim Brüning, © journalist.de)

«'Putins Krieg‘ hat uns 30 Prozent mehr Verkäufe am Kiosk beschert als üblich, auch im Digitalen haben wir überdurchschnittlich viele neue Abos gedreht...» (Foto: Tim Brüning, © journalist.de)

Der «Spiegel» lässt mit dieser Meldung aufhorchen: 2021 war für ihn eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Jahre. Das lag auch am Informationsbedürfnis der Menschen in Krisenzeiten.

Chefredaktor Steffen Klusmann erzählt in einem Interview mit dem deutschen Fachblatt «Journalist», wie das Magazin die Herausforderungen Ukraine-Krieg und Corona bewältigen möchte und nimmt Stellung zu den hauseigenen Compliance-Regeln und dem Thema Diversität im Unternehmen.

Er hält im Gespräch fest, dass Katastrophen das Kaufinteresse erhöhen, weil die Aufmerksamkeit für Informationen und Einordnung steigt. «Wir haben deutlich mehr Content produziert, hatten eine extreme Nachrichtenlage nach der anderen, was auf Dauer auch an den Kräften zehrt», so Klusmann. Er zeigt sich über das Angebot «seiner» Zeitschrift sehr zufrieden.

Da Medienhäuser inzwischen ziemlich genau tracken können, wie gut die Geschichten beim Publikum ankommen, sei man auch beim «Spiegel» schnell im Bild.

«Als der Ukraine-Krieg ausbrach, waren unsere Wettbewerber mit ihren Printausgaben bereits im Druck. Wir hatten noch einen Tag Zeit, um damit aufs Cover zu gehen. ‚Putins Krieg‘ hat uns 30 Prozent mehr Verkäufe am Kiosk beschert als üblich, auch im Digitalen haben wir überdurchschnittlich viele neue Abos gedreht. Die Kunst ist, die vielen neuen Abonnentinnen und Abonnenten dann auch bei der Stange zu halten», beschreibt Chefredakteur Klusmann die herausfordernde Situation.

Er argumentiert weiter, dass die Leute goutierten, dass der «Spiegel» sehr schnell sehr viele Reporter in der Ukraine hatte.

Klusmann gibt jedoch zu bedenken: «Gas, Wasser, Strom können Sie im Winter nicht einfach abbestellen, genauso wenig wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – ein Zeitungs- oder Magazinabo schon», und warnt, «wer Angst haben muss, den Job zu verlieren und die Gasrechnung nicht bezahlen zu können, spart vor allem. Und das könnten auch wir bei den Medien zu spüren bekommen.»

Auf die Frage, ob der «Spiegel» abseits seiner Compliance-Regeln noch so etwas wie politische Leitlinien hätte, antwortet der Chefredaktor: «Mit den alten Denkmustern kommen wir heute nicht mehr weit. Ja, der ‚Spiegel‘ ist eher links als rechts, aber mittlerweile relativ unideologisch. Was wir uns erhalten haben, ist unsere kritische Grundhaltung: Wir glauben erst mal nichts und kuschen vor niemandem.»

Zum Thema «Diversität» hält Klusmann fest, dass in der Redaktion der Frauenanteil bei etwa 50 Prozent liege, in den Ressortleitungen leicht darunter. Bei den Protagonisten würde das Magazin jedoch immer noch zu selten Frauen auswählen, da kommt die weibliche Perspektive immer noch zu kurz.

Den Begriff «Diversität» könne man jedoch auch anders verstehen: Der Wettbewerb um die besten Köpfe tut allen gut – auch innerhalb eines Hauses, zwischen den Ressorts. «Auch das kann eine Redaktion diverser machen.»

Abschliessend sagt Klusmann, dass er sich beim «Spiegel» in zehn Jahren eine rein weibliche Führungsriege durchaus vorstellen könne.