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Dienstag
12.05.2015

Medien / Publizistik

Im Februar hat der Unionsverlag sein 40-jähriges Bestehen gefeiert. Doch wie viele andere kleine Verlage kämpft er um seine Existenz. Der ProLitteris-Preis, der am 10. Mai feierlich an Verleger Lucien Leitess übergeben worden ist, ist ein Segen für das Unternehmen. Marilyn Umurungi, freie Mitarbeiterin des Klein Reports, war bei der Preisverleihung im Zürcher Kaufleuten dabei.

Leitess wirkt sehr gerührt, als er zu seiner Dankensrede für den ProLitteris-Preis 2015 ansetzt. Seit vier Jahrzehnten leitet er den Unionsverlag, der an der Zürcher Rieterstrasse beheimatet ist. In diesen 40 Jahren hat der Unternehmer grosse Umbrüche in der Verlagslandschaft miterlebt. Doch keiner hat ihn so hart getroffen wie der Schritt der Schweizer Nationalbank, den Euromindestkurs aufzuheben.

Als Leitess die Nachricht von der Aufhebung des Mindestkurses erfährt, wird ihm angst und bange. Wie viele andere Verlage verkauft der Unionsverlag die meisten seiner Bücher im Euroraum. Es verging keine Minute, und der Verlag verlor auf einen Schlag einen Umsatz in sechsstelliger Grössenordnung! Zum zweiten Mal innert vier Jahren.

Kaum hat Lucien Leitess die Hiobsbotschaft jedoch verdaut, erreicht ihn auch schon die Nachricht, dass der Unionsverlag dieses Jahr mit dem ProLitteris-Hauptpreis ausgezeichnet werden soll. Der mit 40 000 Franken dotierte Preis für herausragende Leistungen im Bereich Literatur und Kunst ist ein wahrer Segen für den Verlag. «Wie zerronnen, so gewonnen», sagt Leitess augenzwinkernd gegenüber dem Klein Report. Diese Auszeichnung berühre ihn, so der Zürcher. Frei von Eitelkeit gibt er zu bedenken, dass damit etwas anerkannt wird, was nie ein Marketingkonzept war, sondern eine Überzeugung. «Die Nachwelt flicht den Verlagen ja bekanntlich keine Kränze», so Leitess. In der Regel gilt der Ruhm den Autoren.

Es begann alles 1975 mit «Erzählungen aus dem Kampf der Schweizer Arbeiterklasse», geschrieben auf einer Schreibmaschine, archaisch mit Schere, Leim und Pinsel gelayoutet. Lisel Bruggmanns «Ich wünsche Euch des Weltenalls Erbeben» war das erste Buch.

Damals residierte der Verlag noch in Leitess` Küche, Keller und Estrich. Das Lager fand Platz unter dem Ehebett. Das Gründungskapital belief sich auf 2000 Franken. Über das Programm debattierte ein Komitee. Doch Verlagserfahrung hatte im Grunde niemand. Knapp drei Jahre nach der Gründung begann das Verlagshaus, das sich selber als Programmverlag sieht, auch internationale Autoren ins Programm aufzunehmen.

Als erster namhafter Autor schenkte der verstorbene türkische Romancier Yaşar Kemal (Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1997) dem noch etwas übermutigen Verlagsprojekt sein Vertrauen. Zum ersten, dramatischen Bestseller jener Jahre wurde «Nichts geht mehr» von Dora Koster.

Mittlerweile hat der Verlag ein gutes Händchen bewiesen bei der Entdeckung von herausragenden Autorinnen und Autoren, die hierzulande noch niemand kennt, wie den Literatur-Nobelpreisträger Mo Yan oder Nagib Machfus, Assia Djebar, Tschingis Aitmatow, um nur um einige zu nennen.

Während andere kleine Verlagshäuser eines nach dem anderen schliessen mussten, hat sich der Unionsverlag durch Licht- und Schattenzeiten gewendet und Jahr für Jahr ein neues Kapitel aufgeschlagen. Das Internet hatte sich kaum in den Köpfen der Leute breitgemacht, da programmierte Leitess, fasziniert von der Technologie, auch schon seine eigene Verlagssoftware und war damit vielen Verlagshäusern in Innovation um einen Schritt voraus. Die verlagseigene E-Book-Reihe soll noch in diesem Jahr lanciert werden.

Durch die Folgen des Eurokurssturzes und den wachsenden Kostendruck wird der Abstieg der traditionellen Verlagshäuser zwar langsam, aber auch unaufhaltsam sein, es sei denn, sie werden in ihrem Bestehen gefördert. Die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden im Sinne einer `Nationalen Kulturpolitik` ist ein bedeutender Schritt für eine zukunftsorientierte Kulturpolitik, heisst es in der Kulturbotschaft der Schweizerischen Akademie der Geistes- Sozialwissenschaften (SAGW). Wie es weiter aus der Stellungnahme der Kulturbotschaft der SAGW zu entnehmen ist, scheint die Verlagsförderung zum ersten Mal auch tatsächlich realisierbar.

Ab 2016 ist sie wieder im Programm für Kulturförderung des Bundes. Offiziell wurden ihr 1,9 Millionen Franken zugesprochen. «Das ist ein sehr kleiner Betrag im Verhältnis zum gesamten Buchmarkt, aber wir bestimmen ja nicht über das Budget des Bundes. Wichtig ist uns, dass ein rationales, produktives Modell entwickelt wird und nicht eine Neuauflage von gescheiterten Konzepten», erklärt Leitess nachdenklich.

Auch die Stiftung Kulturfonds von ProLitteris ist überzeugt, dass das Element der Verlagsförderung heute wichtiger denn je ist. Leitess hat schon vor einigen Jahren die Nöte, aber auch die Notwendigkeit einer staatlichen Verlagsförderung angesprochen und engagiert sich seit Langem dafür. Das dürfte mitunter auch ein Grund sein, weshalb der Unionsverlag mit dem ProLitteris-Hauptpreis ausgezeichnet wurde.

Wie schon in den letzten Jahren gehört es zur Pflicht des Hauptpreisträgers, den Empfänger des Förderpreises von 10 000 Franken zu bestimmen. Leitess hat sich für den Dörlemann Verlag entschieden. «Nicht weil der Verlag ein Start-up ist, dem man auf die Beine helfen müsste. Sondern weil er einer jener Verlage ist, wie ich sie mir für die Schweiz in grosser Zahl wünsche», sagt Leitess während der Dankensrede im Zürcher Kaufleuten.

Mit dem Dörlemann Verlag zeichnet Leitess einen verwandten Betrieb aus. Es ist ein kleiner Verlag, der ebenfalls mit der Euroschwäche zu kämpfen hat, dem der Unionsverlag aber Wachstum und Gedeihen wünscht.

Auch der Dörlemann Verlag von Verlegerin Sabine Dörlemann steht mit einem breiten, offen ausgerichteten Verlagsprogramm im Markt. Damit Literatur, die in der Schweiz geschrieben wird, auch von Schweizer Verlagen und nicht im Ausland betreut bleibt, ist es wichtig, Verlage wie den von Dörlemann zu fördern.  Wie «Tages-Anzeiger»-Literaturchef Martin Ebel, der die Laudatio auf den Dörleman Verlag hielt, bereits vor fünf Jahren schrieb: «Zu einer Kulturnation gehört - neben einem aufgeklärten, interessierten Publikum - eine lebendige Szene in allen Sparten: Theater und Film, klassische und Pop-Musik, bildende Künste und, last, not least, Literatur.»

Doch damit die Leser Literatur überhaupt wahrnehmen können, braucht es Verlage.